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WAZ: Ein Gesetz hat sich überlebt - Kommentar von Ulf Meinke

Essen (ots)

Einkaufen rund um die Uhr. Wer sich im Internet
bewegt, kann das schon seit Jahren tun. Online-Händler wie Amazon
oder Ebay kennen keinen Ladenschluss. Auch manche Aral-Tankstelle ist
ausgestattet wie ein Supermarkt und hat auch um Mitternacht geöffnet.
Rewe, Aldi oder Penny müssen (noch jedenfalls) am Abend schließen.
Warum eigentlich?
Es ist gut, dass endlich Schluss ist mit dem Ladenschluss, also
mit Gesetzen, die Händlern vorschreiben, wann sie ihre Geschäfte zu
öffnen oder zu schließen haben – Schluss mit bürokratischer
Bevormundung von Kunden und Unternehmern. Ladenschluss, das klingt
wie „heute geschlossen” oder „draußen nur Kännchen”, also nach einer
Mentalität, die mancher zwar als typisch deutsch bezeichnet, die aber
mit diesem Land längst nichts mehr zu tun hat.
In den USA mag man darüber schmunzeln, dass deutsche Politiker
schon seit Jahrzehnten zutiefst emotional über die Freigabe der
Ladenschlusszeiten streiten. Endlich können sie sich nun wichtigeren
Dingen zuwenden, etwa dem Abbau der Arbeitslosigkeit oder einer
echten Reform des Gesundheitswesens. Was sind dagegen schon die
Öffnungszeiten? Und doch geht es um ein Symbol, um die Frage, wie
viel bürgerliche Freiheit politisch wünschenswert und durchsetzbar
ist. Selten wird das von Talkshow zu Talkshow wandernde Wörtchen
Bürokratieabbau so lebendig wie beim Beispiel Ladenschluss.
Dass die Geschäfte nun werktags rund um die Uhr öffnen dürfen,
bedeutet ja nicht, dass sie jederzeit öffnen müssen. Je nach
Bedürfnissen und Interessen von Kunden und Händlern werden sich von
Ort zu Ort verschiedene Zeiten herauskristallisieren. Niemand hindert
die Geschäftsleute daran, sich abzusprechen, wenn es um die
Öffnungszeiten in einer Innenstadt geht. Selbstverständlich werden
die Geschäfte in Metropolen oder großen Einkaufszentren später
schließen als auf dem Lande oder in Kleinstädten.
Und für Verkäuferinnen und Verkäufer gelten nach wie vor
Tarifverträge, die auch klare Aussagen zu Arbeitszeiten enthalten.
Außerdem wird Nachtarbeit deutlich höher bezahlt. Und kein
Einzelhändler wird Mitarbeiter ins Geschäft schicken, wenn es sich
nicht für das Unternehmen – also auch seine Beschäftigten – lohnt.
Nein, im Internet-Zeitalter, in dem Kunden in jeder Sekunde
praktisch jede Ware irgendwo in der Welt bestellen können, hat sich
das deutsche Ladenschlussgesetz schlicht überlebt. Im Übrigen muss
ein Staat seinen Bürgern nicht alles vorschreiben – schon gar nicht
die Einkaufsgewohnheiten.

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