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WAZ: Authentisch und fair - Kommentar von Rolf Potthoff

Essen (ots)

Kaum vorstellbar ist das Schicksal der 18-jährigen
Natascha Kampusch. Die Hälfte ihres Lebens verlor die junge Frau im 
Verlies des Entführers, der sie als zehnjähriges Kind verschleppte. 
Nur ein glücklicher Zufall wollte es, dass sie entkam.
Der Fall hat uns alle tief angerührt, er ist zugleich aber auch 
eine Bewährungsprobe, in deren Kern - vielleicht unbequeme - Fragen 
nach Verantwortung und Respekt vor Menschen stehen: Wie geht die 
Öffentlichkeit, wie gehen die Medien damit um?
Der Wunsch nach Information ist ja nur zu berechtigt. Wie es zur 
Entführung kam, was seitdem geschah, wie sie heute empfindet - es ist
nichts Indiskretes, diese Fragen zu stellen. Aber dabei ist es zu 
belassen. Denn diese junge Frau hat ein Höchstmaß an Schutz und 
Rücksichtnahme auf ihre Empfindsamkeiten verdient. Sie trug Wunden 
davon, solche, die man nicht sieht.
Leider ist das Schicksal der Natascha Kampusch gerade jener 
unseriösen Art der Nachrichtenjagd "willkommen", deren Neugier keine 
Schranken kennt, die nicht davor zurückschreckt, auch noch das letzte
Intime auf die offene Bühne zu zerren, die womöglich Nachrichten 
fälscht. Und das wäre nicht so, gäbe es die gewisse Sensationsgier 
nicht, die sich um schamlose Verletzung der Menschenwürde nicht 
schert und sich abseits aller Grenzen des Anstands bewegt.
So etwas kommt nicht plötzlich. Es ist ein schleichender Prozess,
der bei der intimsten Schlagzeile anfängt und auf unappetitlichste 
Weise bei TV-Quotenjägern in Dschungelcamps endet. Und dass sich 
Schamgrenzen allmählich verwischen, hat auch mit dem Verhalten von 
"Vorbildern" zu tun. Manch ein Popstar, manch ein Politiker weiß das 
Privatleben raffiniert in die Öffentlichkeit zu spielen. Sie 
befriedigen Neugier, weil Indiskretionen interessant machen - und sie
selbst nach populistischen Prinzipien davon profitieren.
Weit entfernt von diesem Gehabe jedoch ist die 18-jährige 
Österreicherin. Ihr Schicksal darf nicht in ein solches Getriebe 
geraten. Unter dem Druck, gegen ihren Willen ihr Innerstes preisgeben
zu sollen, würde sie zerrieben, vielleicht zerstört.
In einem bewegenden Brief hat die 18-Jährige nach ihrer Rettung 
die Öffentlichkeit um Wahrung ihrer Privatsphäre gebeten: "Lasst mir 
Zeit, bis ich selbst berichten kann". Jetzt empfand sie wohl, dass 
die Zeit dafür reif sei. In ihrem Interview spricht Natascha Kampusch
über ihre Gefangenschaft und darüber, wie sie diese Zeit verarbeitet,
was ihr dabei hilft. Keine Schlüsselloch-Späherei ist es, sondern ein
faires Interview mit Informationen, wie es sie authentischer und 
ehrlicher nicht gibt.

Rückfragen bitte an:

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Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de

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