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WAZ: Es geht nur mit Vernunft - Kommentar von Gudrun Norbisrath

Essen (ots)

Das klingt ja geradezu niedlich: Nach Hauen und
Stechen und Drohungen von allen Seiten beschließt der Islamgipfel, 
sich die provokante Operninszenierung anzusehen. Damit ist kein 
Problem gelöst! Aber könnte es nicht ein erster kleiner Fortschritt 
sein? Nur was man kennt, kann man beurteilen, und die Bereitschaft, 
genau hinzusehen, ist eine Leistung der Vernunft.
Die ist hier dringend notwendig. Denn es ist nicht damit getan zu
diskutieren, was Kunst darf und was sie nicht darf. Es muss darüber 
geredet werden, was Menschen tun und warum, was Klugheit und was 
Fanatismus ist und wie man damit umgeht.
Die Forderung, Stärke zu beweisen; nicht einzuknicken, wie das 
heute so forsch heißt, hat etwas Martialisches. Auch etwas 
Emotionales. Da spricht Empörung mit: Ja, der Papst darf sagen, was 
er will, und das Theater kann spielen, was es für richtig hält. Doch 
was nützt diese richtige Überzeugung angesichts von 
Unberechenbarkeiten? Solange Drohungen nicht als reine Gebärde 
deutlich erkennbar sind, wird man sie todernst nehmen müssen.
Das kann keine Aufforderung zum angstvollen Umgang mit der 
Meinungsfreiheit sein. Schon gar nicht zu ihrer Unterdrückung. 
Trotzdem muss jetzt auch an die Klugheit appelliert werden. Welche 
Zeichen wollen wir setzen? Zeichen der Unnachgiebigkeit könnten 
provokanter sein als zwei blutrünstige Minuten im Theater. Die Frage 
lautet (noch) nicht: Was lassen wir uns gefallen? Sondern: Wieviel 
Rücksicht ist vertretbar? Der Papst hat eine eindrucksvolle 
christliche Geste gefunden, um Versöhnung zu bitten und sie 
anzubieten. Mit dem Wort "einknicken", das den Satz "Der Klügere gibt
nach" persifliert, hat das nichts zu tun. Es ist nicht zuletzt 
Menschenliebe.
Seit dem 11. September 2001 muss sich der Westen fragen, wie er 
auf die Bedrohung reagieren kann. Eine einfache Antwort gibt es 
nicht. Eins aber ist sicher: Wenn wir für die Zukunft verhindern 
wollen, dass Drohungen unser Leben bestimmen, müssen wir für die 
Verbreitung der Aufklärung sorgen. Also der Bildung. Das ist eine 
starke Herausforderung.
Im Übrigen gilt auch heute noch: Es gibt keine Religionskriege. 
Kriege sind letztlich immer machtpolitischer Natur, und das bedeutet:
Der Westen muss sich unabhängig machen vom Öl. Das bringt nicht 
automatisch Frieden; aber Frieden kommt nie automatisch. Es gibt 
große und kleine Schritte. Ein Opernbesuch ist vielleicht der 
kleinste; er muss nicht der schlechteste sein.

Rückfragen bitte an:

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Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de

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