Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Sandkastenspiele oder Strategie?: Ein bisschen Spaß muss sein - Leitartikel von Hendrik Groth
Essen (ots)
Ein bisschen Sommerloch mitten in der Karnevalszeit. Die ganz harten Nachrichten sind nicht auf dem Markt, also treibt man irgendeinen Paarhufer durch das berühmte Dorf. Die Jecken wird es freuen. Helau! So meldet das Nachrichtenmagazin Spiegel, einige wichtige Personen in der SPD dächten darüber nach, Franz Müntefering durch Kurt Beck im Bundeskabinett zu ersetzen.
Die Geschichte klingt gar nicht mal so schlecht, begeben wir uns also in den strategischen Sandkasten, um für die kommenden Monate ein Szenario zu entwickeln, das 2009 den Sozialdemokraten die Kanzlerschaft sichert. Spielen wir die Geschichte durch. Beck löst im kommenden Jahr Müntefering als Vizekanzler und Arbeitsminister ab. Dafür spräche, dass dem Regionalpolitiker aus Rheinland-Pfalz mehr bundespolitische Aufmerksamkeit zuwachsen würde. Die tägliche Erwähnung in der Tagesschau wäre dem SPD-Vorsitzenden sicher, die Kanzlerkandidatur von Beck eine ausgemachte Sache.
Von Berlin aus wäre auch die Führung des Wahlkampfes sinnvoller, als fernab von Mainz zu versuchen, die Strippen in der Hand zu halten. Noch ein Vorteil für die Sandkastenstrategen: Müntefering hat hinlänglich bewiesen, dass er etwas von Wahlkampf versteht. Frei von den Belastungen und Einschränkungen eines Kabinettmit- glieds könnte der Sauerländer eine Kampagne leiten, die es in sich hätte.
Die Quelle für alle diese Spekulationen sitzt angeblich im SPD-Präsidium und schon wackelt diese gedankliche Konstruktion bedenklich. An diesem Gremium ist beispielsweise der Überraschungscoup des damaligen Kanzlers Schröder, Neuwahlen 2005 abzuhalten, völlig vorbeigegangen. Andersherum: Sollten sich Beck und der verschwiegene Müntefering tatsächlich über ein solches Vorgehen einig sein, wir wüssten es aller Wahrscheinlichkeit nicht.
Doch es gibt eine weitere Variante. Der in der Affäre Kurnaz nicht überzeugende Außenminister Frank-Walter Steinmeier könnte seinen Sessel für Beck räumen. Beck, ein Kenner der Region zwischen Koblenz und Worms, soll die Außenpolitik bestimmen? Zweifel dürfen angemeldet werden. Doch vielleicht ist an all diesen Spekulationen auch etwas dran? Mag sein, muss aber nicht. Oder hätten Sie vor zwei Jahren gedacht, dass sich Edmund Stoiber selbst erlegt und Diadochenkämpfe um die Nachfolge des CSU-Chefs zwischen Beckstein, Huber und Seehofer ausgetragen werden? Wahrscheinlich nicht.
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