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WAZ: Wunsch nach Bildungsreform: Eine Vision verliert ihren Schrecken - Leitartikel von Sigrid Krause

Essen (ots)

Weil Schulpolitik nicht mehr nur Sache der
Schulpolitiker sein darf, mischen sich immer mehr ein in die Debatte 
um die Schule der Zukunft. Der Deutsche Gewerkschaftsbund ist nur 
eine Organisation, die verstanden hat: So wie es ist, geht es nicht 
weiter. Weil es nicht so weitergehen darf.
Zum einen, weil der Wirtschaft der gut ausgebildete, kreative 
Nachwuchs ausgeht und damit auch die Ingenieure und Facharbeiter von 
morgen, ohne die der Exportweltmeister Deutschland einpacken kann.
Zum anderen, weil jeder junge Mensch, der in der Schule 
scheitert, ein Verlust für die gesamte Gesellschaft ist. Wer nicht in
der Lage sein wird, einen zukunftsfähigen Beruf zu erlernen und 
seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen, wird kaum fähig sein, 
seine Kinder zu wissbegierigen, leistungsbereiten Menschen zu 
erziehen. Die Folgen sind vielfach beklagt: Armut - materielle wie 
geistige - droht sich über Generationen zu vererben. Mit den 
bekannten Folgen.
Dass auch das Schulsystem dafür verantwortlich ist, haben die 
Pisa-Studien belegt. Ebenso, dass der deutsche Sonderweg gewichtigen 
Anteil hat an dieser Misere. Bis auf Österreich gibt es keine andere 
Industrienation, die ihre Kinder schon nach dem vierten Schuljahr in 
unterschiedliche Bildungsgänge einsortiert. Neun bis zehn Jahre des 
gemeinsamen Lernens, auch ohne Sitzenbleiben: So lernen Pisa-Sieger 
in Skandinavien, England oder den Niederlanden.
Österreich ist bereits dabei, sich vom "be-währten" System zu 
verabschieden: Soeben startet die Alpenrepublik Großversuche des 
längeren gemeinsamen Lernens. Und die Konservativen machen vorneweg 
mit.
Hier zu Lande setzt gerade erneut der Grundsatzstreit ein. Seit 
zwei CDU-Bürgermeister im Münsterland beschlossen haben, mit 
Rückendeckung der Eltern eine neue Schule zu entwickeln, gerät die 
schwarz-gelbe Landesregierung in Düsseldorf unter Druck. Und reagiert
reflexhaft vertraut mit strikter Ablehnung einer "Einheitsschule", 
die als Schreckensbild aus der Debatte der 80er Jahre durch viele 
Köpfe geistert.
Allerdings verliert die klassische Schreckensvision rapide ihre 
Anhängerschaft. Wenn sich Gewerkschafter und Ökonomen, 
Bildungsforscher und Kommunalpolitiker, Lehrer und aktive Christen 
beider "Fraktionen" zunehmend auf gemeinsame Wünsche und Ziele 
einigen, könnte eine Gruppe bald recht einsam in der Landschaft 
stehen: Bildungspolitiker, die behaupten, alles werde gut, wenn bloß 
alles so bleibt, wie es ist.

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Rückfragen bitte an:
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Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de

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