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Ein virtueller Streik als neue Option bei Tarifverhandlungen?

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Die Situation zwischen der Gewerkschaft GDL und der Deutschen Bahn scheint aussichtslos – doch nach Ansicht von Prof. Dr. Lutz Kaufmann, Inhaber des Lehrstuhls für B2B-Verhandlungen & Beschaffung an der WHU – Otto Beisheim School of Management, haben die beiden Seiten noch nicht alle Optionen ausgeschöpft: Der Verhandlungsexperte verweist auf Erfahrungen mit virtuellen Streiks im Ausland.

Ein virtueller Streik als neue Option bei Tarifverhandlungen?

Derzeit rollen die Züge der Bahn wieder, doch dass neue Streiks die Infrastruktur Deutschlands lahmlegen, dürfte nur eine Frage der Zeit sein. So bestreikt nun das Sicherheitspersonal während der Tarifverhandlungen wechselweise wichtige Flughäfen in Deutschland. Für die Fahr- und Fluggäste ergibt sich eine nervenaufreibende Situation. Dabei gibt es andere Möglichkeiten, den Konflikt auszutragen, ohne dass Menschen und Wirtschaft derart stark in Mitleidenschaft gezogen werden wie zuletzt. „In anderen Ländern wurden schon virtuelle Streiks ausgetragen. Das ist hierzulande bisher kein Thema gewesen. So ließe sich das anhaltende Bahn- und Flugchaos vermeiden, ohne dass Arbeitnehmer auf den Arbeitskampf verzichten müssten“, sagt Professor Kaufmann. Dieses Modell habe durchaus Vorteile.

Bei einem virtuellen Streik geht der Betrieb weiter – allerdings erhalten beiden Seiten kein Geld daraus. Ein virtueller Bahnstreik könnte demnach so aussehen: Eingenommenes Geld, genauer die Deckungsbeiträge der Deutschen Bahn und die Streikkosten der GDL würden kalkuliert, beispielsweise von einer neutralen Prüfungsgesellschaft. Die entsprechenden Beträge fließen dann auf ein Treuhandkonto. Wie das Guthaben auf dem Treuhandkonto verwendet wird, wird schließlich separat bestimmt. Eine Möglichkeit ist die Verwendung rein für gemeinnützige Zwecke, etwa Notebooks für Schulen. Die Parteien können den aufgelaufenen Betrag aber auch in die Verhandlungsmasse einbringen und daraus bspw. Einmalzahlungen an die Arbeitnehmer vornehmen. „Ein virtueller Streik würde es ermöglichen, dass die Auseinandersetzungen zwischen der Deutschen Bahn und der GDL weitergehen können, ohne den Betrieb zu beeinträchtigen und Fahrgäste zu vergraulen“, erklärt Verhandlungsexperte Kaufmann. „Damit würde auch vermieden werden, dass Wirtschaft und Gesellschaft in eine Art ‚finanzielle Haftung‘ gezogen werden. Diese volkswirtschaftlichen Kosten würden dann nicht anfallen – und das ist vielleicht nicht das Schlechteste für einen angeschlagenen Boxer wie es der Wirtschaftsstandort Deutschland gerade ist“.

Denkbar wäre es seiner Meinung nach, virtuelle Streiks lediglich für Arbeitskämpfe kleiner Gewerkschaften, wie GDL oder Cockpit, als zusätzliche Möglichkeit einzuräumen. „Natürlich hat auch die Option des virtuellen Streiks Nachteile, aber eben vielleicht weniger Nachteile als das, was aktuell praktiziert wird“, schlussfolgert Kaufmann.

In einigen Ländern wurden bereits Erfahrungen mit dieser Art von Streik gemacht. So gab es 2018 in der japanischen Stadt Okayama einen Streik der Busfahrer, bei dem sie normal fuhren, aber von Fahrgästen kein Geld verlangten oder Tickets kontrollierten, „ein Vorgehen, dass in Deutschland angesichts unserer Buchungssysteme wohl nicht gut funktionieren würde“, wie Kaufmann sagt. Auch in Italien wurden die Streiks der Meridiana Airline 1999 und der Verkehrsgewerkschaft im Jahr 2000 virtuell ausgetragen. In diesen Fällen wurden die Umsätze während der Streiks für gemeinnützige Zwecke gestiftet, wodurch das Druckpotenzial für die Streikenden trotz normalen Betriebs erhalten blieb.

Wenn Sie ein Interview mit Verhandlungsexperte Prof. Dr. Lutz Kaufmann zu diesem Thema führen möchten, wenden Sie sich gerne an die Pressestelle der WHU: presse@whu.edu

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Kerstin Leitel
Associate Director Public Relations
WHU – Otto Beisheim School of Management
Campus Vallendar, Burgplatz 2, 56179 Vallendar, Germany
Tel.: +49 261 6509-540;
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