Reine Kosmetik: Ulla Schmidt´s Politik verschlechtert die Lage von Patienten immer mehr
Erkrath (ots)
"Ulla Schmidts Politik ist eine reine Kosmetikveranstaltung", warnt Martin Grauduszus, Präsident der "Freien Ärzteschaft" im Vorfeld der erneuten Großdemonstrationen von Ärzten in Berlin, Köln und Stuttgart am 19. Mai. "Sie unterschätzt die Kampfbereitschaft der Ärzte in Kliniken und Praxen. Es ist mittlerweile nicht mehr auszuschließen, dass im Extremfall WM- Spiele ausfallen müssen, weil Notärzte oder Krankenhausärzte streiken."
Immerhin habe Schmidt mittlerweile anerkannt, dass das bisherige, weltweit einmalige Honorarsystem Unfrieden stiftet. Nach diesem System werden niedergelassene Ärzte statt mit Geld mit Punkten honoriert, deren Wert frei schwanken kann. Wenn beispielsweise besonders viele Patienten während einer Grippewelle ihren Arzt aufsuchen müssen, sinkt der Punktwert ins Bodenlose.
"Mit diesem perfiden System haben Politik und Krankenkassen das Erkrankungsrisiko auf die Ärzte verlagert. Das ist in etwa so, als wenn man Feuerwehrmännern das Gehalt kürzt, wenn es in einem Monat besonders häufig gebrannt hat. Und mit dem Arzneimittelverordnungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) treibt Schmidt dieses Spiel auf die Spitze: Jetzt sollen Ärzte in einem solchen Fall die Grippemedikamente auch noch selbst bezahlen - so, als wenn die Feuerwehrmänner Löschwasser und Treibstoff für die Feuerwehrwagen selbst zahlen müssten", beschreibt Grauduszus die Lage.
Schmidts Ankündigung, das Honorarsystem ändern zu wollen, ist für Grauduszus reine Kosmetik: "Schmidt sagt klar, dass die Mengenbegrenzung bleiben soll. Damit sollen wir auch weiterhin das Löschwasser bezahlen - und das werden wir nicht mehr tun. Wir können nicht mehr dafür bezahlen, dass wir arbeiten", kündigt er an.
Wie kritisch die Lage sei, zeige auch der erweiterte Suizid eines Kölner Arztes in dieser Woche. "Eine solche Tat ist durch nichts zu entschuldigen. Aber wir müssen uns um die Ursachen kümmern, auch wenn das Hauptmotiv hier wohl im familiären Bereich liegen wird", sagt Grauduszus. Diese Tat zeige auch, unter welchem Druck die Ärzteschaft mittlerweile steht: "Ärzte haben mittlerweile von allen Berufsgruppen die höchste Selbstmordrate. Schuld daran sind die vorsintflutlichen Arbeitsbedingungen in Kliniken und Praxen", sagt er.
"Wer 90 Stunden in der Woche einen Beruf ausübt, dessen Arbeitsbelastung mit der eines Piloten gleichzusetzen ist, dem bleibt für sich selbst und sein Privatleben keine Zeit mehr, um Fehlentwicklungen aufzuhalten.". Der Kölner Arzt habe am Wochenende vor seinem Selbstmord noch auf einer Fortbildungsveranstaltung einem Kollegen gegenüber über seine extreme Arbeitsbelastung als Haus-Landarzt geklagt. Gleichzeitig sei eine Wirtschaftlichkeitsüberprüfung angekündigt worden. Er verstehe die Vorwürfe nicht, habe er dem Kollegen gegenüber geklagt. Er mache doch nur seine Arbeit als Haus-Landarzt.
Die Freie Ärzteschaft ist der derzeit am schnellsten wachsende Ärzteverband Deutschlands und gilt als Initiator und Motor der andauernden Proteste niedergelassener Ärzte. Die Gründungsmitglieder haben sich im Internetforum von "Facharzt.de" kennengelernt und 2005 bereits den ersten "Ärztetag von unten" organisiert, der als Initialveranstaltung der Protestbewegung gilt.
Anfang November 2005 brachte ein Aufruf der Freien Ärzteschaft rund 5.000 Ärzte zur Demonstration vor dem Kölner Dom, gleichzeitig blieben im ganzen Bundesgebiet mehrere 10.000 Arztpraxen geschlossen. Obwohl der neue Verband sich auch aus Unzufriedenheit mit bestehenden Ärzteverbänden gegründet hatte, schlossen sich der Aktion in Köln zahlreiche traditionsreiche Verbände wie beispielsweise der Hartmannbund und der NAV Virchowbund an.
Im Dezember 2005 schlossen auf einen Aufruf der FÄ hin bundesweit wieder Zehntausende von Ärzte ihre Praxen und besuchten vor Ort in den Gemeinden die Krankenkassen, um dort kritische Fragen nach dem Verbleib der Versichertenbeiträge zu stellen. Auch für den "Tag der Ärzte" am 18.1.2006 war die Freie Ärzteschaft einer der tragenden Verbände der Großdemonstration mit weit mehr als 20.000 Teilnehmern in Berlin und zahlreichen Demonstrationen im Bundesgebiet.
Der bundesweit bislang größten Demonstration von Ärzten im März in Berlin ging ebenfalls ein Aufruf der Freien Ärzteschaft voraus. Auch auf der zentralen Großdemonstration am 19.05.2006 in Berlin wird Martin Grauduszus einer der Hauptredner sein.
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