Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Euro-Krise/Merkel
Regensburg (ots)
Der Sage nach entführte der in einen Stier verwandelte Zeus die schöne Königstochter Europa. Wenn die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder am Donnerstag zum außerordentlichen Krisengipfel zusammenkommen, um ein weiteres Rettungspaket für Griechenland zu schnüren, steht ihnen der Sinn kaum nach den mythischen Vorbildern des alten Kontinents. Es geht vielmehr um die Zukunft Griechenlands, die Zukunft der Gemeinschaftswährung, um die Zukunft des europäischen Hauses. Dass vor allem Angela Merkel nicht bereit ist, entschlossen politische Führung zu zeigen, macht die Sache nicht einfacher. Auch bei Helmut Kohl, immerhin Merkels politischer Ziehvater, findet die Regierungschefin derzeit kein Lob. Der 81-jährige, einzige Ehrenbürger Europas soll sich laut Medienberichten sogar darum gesorgt haben, dass Merkel "mir mein Europa kaputt" mache. Allerdings vergisst Kohl in seiner Sorge um Europa, dass beim Zustandekommen der Einheits-Währung vor allem politische Gründe im Vordergrund standen, wirtschaftliche und finanzpolitische Aspekte wurden eher gering geschätzt. Das rächt sich nun. Kohl, Waigel, Mitterrand, Chirac und andere Euro-Befürworter hatten eine vertiefte politische Einigung und einen gemeinsamen Euro-Wirtschaftsraum, ohne lästige Zoll- und Währungsschranken, im Auge. Dass die Euro-Länder über eine höchst unterschiedliche Wirtschaftskraft, unterschiedliche Steuer- und Finanzsysteme verfügen, wurde geflissentlich übersehen. Für Deutschland ist es gut, dass regelmäßig gigantische Exportüberschüsse im Vergleich zu anderen Euro-Partnern eingefahren werden. Doch der Überschuss hier bedeutet Defizit da. Hinzu kommen hausgemachte Probleme der Euro-Not-Länder Irland, Portugal, Spanien, Italien. Das griechische Desaster allerdings übertrifft alles. Was sich jetzt in einem gigantischen Staatsdefizit darstellt, hat mit einem laxen Steuersystem, Steuerhinterziehung im großen Stil und staatlicher Misswirtschaft zu tun. Die Krux ist nun, dass dafür die normalen Griechen büßen sollen. Nun muss in Brüssel der Stier endlich bei den Hörnern gepackt werden. Eilig soll ein neues Kredit-Paket geschnürt werden. Wohlgemerkt, dem eigentlich bankrotten Hellas werden neue Schulden als Rettung verkauft. Ein Investitions- und Aufbauprogramm fällt den EU-Regierungschefs nicht ein. Das wäre allerdings notwendig. Andersfalls spart man den Patienten zu Tode. Außerdem braucht Griechenland dringend einen vernünftigen Schulden-Schnitt. Das heißt, die griechischen Staatsanleihen, die sich derzeit bei privaten Gläubigern, aber auch der EZB türmen, müssen zu einem vertretbaren Anteil als Verluste verbucht werden. Vor diesem harten Schnitt drücken sich Banken und Staaten, weil sie einen Dominoeffekt für andere wacklige Staatsanleihen, die Herabstufung durch Ratingagenturen und um die Euro-Stabilität fürchten. Doch anders als durch eine teilweise Entschuldung ist Griechenlands Finanz-Desaster nicht beizukommen. Doch die schmerzhafte Notrettung wagen weder Merkel noch Sarkozy, die anderen EU-Größen gleich gar nicht. Vor allem Merkel lässt in dieser heiklen Phase Führungskraft vermissen. Sie taumelte im vergangenen Jahr in die Griechenland-Krise regelrecht hinein. Und zurzeit ist völlig unklar, was sie eigentlich will. Das ist gefährlich, für den Euro, die Märkte, die Griechen und die deutschen Steuerzahler. Obendrein macht sich selbst in CDU und vor allem CSU und FDP eine Art gepflegte Europa-Skepsis breit. In anderen EU-Ländern, etwa den Niederlanden, Dänemark oder Finnland, feiern offen Europa-feindliche Parteien Triumphe. Es ist höchste Zeit zum Gegensteuern - durch Entschlossenheit und Geschlossenheit bei der Griechenland-Rettung erst einmal.
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