Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Christian Kucznierz zu de Maiziere
Regensburg (ots)
Polytetrafluorethylen ist ein ziemlich interessantes Material. Wer kocht, kennt es als Antihaftbeschichtung. Die sorgt dafür, dass selbst wenn einmal etwas anbrennt, nichts in der Pfanne oder im Topf klebenbleibt. Aber nicht nur Köche kennen Teflon. Auch in der Politik ist der Stoff ziemlich beliebt. Jüngstes Beispiel ist Verteidigungsminister Thomas de Maizière. Aber es ist nur einer von vielen, der antihaftbeschichtet ist. Großmeisterin der Teflon-Methode ist Angela Merkel. NSA-Affäre? Bedauerlich, ärgerlich und ganz schlecht im Wahlkampf. Merkel hat US-Präsident Barack Obama die Meinung gesagt, wie man das unter Freunden so machen kann, aber eigentlich ist das Sache des Innenministers. Der wiederum lässt das an sich abperlen. Weil Abhören auch im Interesse der deutschen Sicherheit ist. Und weil schließlich auch schon in Deutschland dank NSA Anschläge verhindert werden konnten. Fünf könnten es gewesen sein, sagte Hans-Peter Friedrich. Vielleicht mehr, vielleicht weniger. Damit ist die Sache dann erledigt. Auch das Euro-Hawk-Debakel kümmert die Kanzlerin nicht. Das ist ein Problem des Verteidigungsministers. Und der ist Verteidigungsexperte, vor allem in eigener Sache. Er habe erst spät von den Problemen erfahren, sagte er zunächst. Nun hat er zugegeben, dass er schon eher von Problemen wusste. Aber erst spät sei ihm die volle Tragweite mitgeteilt geworden. Wie gut, wenn man in so einer Situation loyale Mitarbeiter hat wie Verteidigungsstaatssekretär Stéphane Beemelmanns. Der hatte die Schuld auf sich genommen, just einen Tag, bevor sein Chef vor dem Untersuchungsausschuss zum Drohnen-Debakel aussagen musste. Es war ziemlich brenzlig geworden für de Maizière. Es gibt sehr wohl genügend Gründe für einen Rücktritt des Verteidigungsministers. Weil es unwahrscheinlich ist, dass er nicht wusste, was beim Prestige-Objekt Euro Hawk wirklich Stand der Dinge war. Wusste er tatsächlich nicht genau Bescheid, müsste er gehen, weil es nicht sein darf, dass er sein Haus so wenig im Griff hat. Und alleine schon wegen seines Verhaltens in der Krise müsste er gehen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass de Maizière seinen Rücktritt angeboten hat. Doch die Kanzlerin hat mehrfach klargestellt, dass sie vollstes Vertrauen in ihren Verteidigungsminister hat. Zwar hat das in der Vergangenheit nicht immer viel zu bedeuten gehabt; Karl-Theodor zu Guttenberg war schließlich auch mit dem vollsten Vertrauen gesegnet. Aber wenige Wochen vor der Bundestagswahl ist eine Kabinettsumbildung nicht im Interesse von Angela Merkel. Und so sehr sich die Opposition auch müht: Sie kann dem Verteidigungsminister nichts anhaben. Dass de Maizière, der lange als integer und sogar als kanzlerfähig galt, sich selbst durch sein Verhalten diskreditiert hat, steht auf einem anderen Blatt. Denn eigentlich ist de Maizière nur Mittel zum Zweck. Es geht um die Kanzlerin. Die SPD versucht seit Wochen verzweifelt, eine Schwachstelle bei Merkel zu finden. Weil sie diese nicht findet, sucht sie eine Etage tiefer und wird sogar fündig. Nur: De Maizière wird nicht gehen. Er hat in bester Teflon-Manier den Schmutz auf eine andere Stelle abtropfen lassen; ein Staatssekretär könnte als Bauernopfer seinen Posten verlieren. Mehr nicht. Weil die Opposition es nicht schafft, de Maizière aus dem Sattel zu heben, dürfte klar sei, dass es äußert schwierig wird, Merkel bis Herbst politisch so gefährlich zu werden, dass der erhoffte Machtwechsel klappt. Die Kanzlerin hat bewiesen, dass sie etwas sehr Außergewöhnliches entwickelt hat: eine Antihaftbeschichtung, die sogar kratzfest ist. Die SPD und ihr Kanzlerkandidat Peer Steinbrück werden noch ziemlich scharfe und aggressive Mittel auffahren müssen, wollen sie eine Chance haben.
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