Mittelbayerische Zeitung: Schöne Sportler-Spiele
Sotschi war besser als gedacht und besser als es sich mancher gewünscht hat - und das ist gut so. Leitartikel von Claus-Dieter Wotruba
Regensburg (ots)
Und, wie war's? Die Olympischen Winterspiele finden ihren Abschluss und haben die Vorverurteilungen der Lästermäuler nicht erfüllt: Nichts, was zuvor lang und breit diskutiert wurde, hat die Spiele überschattet. Für den größten Missklang sorgt der deutsche Dopingfall Sachenbacher-Stehle, doch mehr national als international. Wer die Athleten fragt, hört nahezu einhellig: Es war schön, schöner als anderswo gar - und das ist das Wichtigste. Natürlich bleiben die Kernfragen olympischer Gigantomanie bestehen. Doch das ist kein russisches Problem, das muss an anderer Stelle in Angriff genommen werden. Angekündigt hat es der deutsche IOC-Präsident Thomas Bach. Ob Taten folgen? Wer einmal in der Dimension von riesigen Supermarktketten angekommen ist, wird nicht zum putzigen und familiären Stil des Tante-Emma-Ladens zurückkehren. Das Milliardengeschäft mit dem Sport lässt schön grüßen. Dadurch, dass alles so gut geklappt hat und Sotschi somit viel mehr Lob als Tadel einheimst, ist Wladimir Putin natürlich einer der Gewinner. Eine solche Bilanz drängt dazu, von Missbrauch zu sprechen, weil eine so umstrittene Figur profitiert. Freilich ist eher diese Sicht ein Missbrauch des Sports. Kann Sport lösen, was Politik und Gesellschaft nicht schaffen? Schwerlich, nein. Vielmehr ist der Sport nur ein Abbild jener Probleme. Die Sachlage ließe sich auch umdrehen: Durch Sotschi wurde wenigstens eine Zeitlang diskutiert, was sonst vielleicht im Verborgenen geblieben wäre. Wie hat ein Kollege in einem Eishockey-Fachblatt so treffend geschrieben: "Zum Glück lassen sich die Zuschauer nicht immer manipulieren, sie schauten Olympia, obwohl Herr Putin nicht nett ist. Wir werden auch zur WM nach Weißrussland (die Eishockey-WM findet dort 2015 statt, d. Red.) fahren, obwohl die dortige Regierung noch viel weniger nett ist." Veränderung in gesellschaftlichen Systemen zu schaffen, ist ein zu großer Anspruch an den Sport. Das wird in Russland so wenig funktionieren wie es in und nach Peking bei den Sommerspielen 2008 funktioniert hat. Mit Verlaub sei auch darauf hingewiesen, dass so etwas wie der Ursprung von Propagandaspielen immer noch 1936 in Berlin liegt. Schein und Sein sind und bleiben deswegen natürlich ein Thema. Doch zwischen genau hinschauen und Dauernörgeln ist ein Unterschied. Selbstverständlich bleibt es umstritten, ein Wintersportzentrum aus dem Boden zu stampfen. Selbstverständlich ist uns die Art und Weise, mit verletzten Menschenrechten und Zwangsräumungen, zu Recht fremd. Doch wenn in den Alpen in Frankreich, Deutschland oder Österreich Schneisen geschlagen werden und Betonbunker entstehen, ist die Art der Umweltzerstörung auch nicht vorbildlich. Und, wie war's? Die Frage gilt natürlich auch dem durchaus gelungenen, aber nicht überwältigenden Abschneiden der Deutschen, die sich gerne als die Besten der Welt sehen. Mittlerweile wird Sport in Deutschland denn auch mehr und mehr zu einem gesellschaftlichen Thema: Es geht vor allem darum, wie man Spitzenleute heranzieht. Mehr und mehr Stimmen werden laut, dass die Problematik in der Basisarbeit liegt. Ist Sport noch ein zentrales Anliegen hierzulande? Zum Beispiel im schulischen System? Nein, andere Länder sind weit voraus und entwickeln kreativere Ansätze. Und wie wird's und war's? Die Frage wird bleiben. 2018 finden die nächsten Winterspiele in Pyeongchang in Südkorea statt. Das bietet im Vorfeld genügend Stoff für Fragen und Antworten jedweder Couleur. Im Sommer 2015 werden die Winterspiele 2022 vergeben, sinnigerweise im tropischen Kuala Lumpur in Malaysia. Zur Wahl stehen Krakau in Polen, Almaty in Kasachstan, Lemberg in der Ukraine, das Wintersportmekka Oslo in Norwegen - und Peking! Es ist also nicht zu erwarten, dass der Diskussionsstoff um Olympiaorte so schnell ausgeht.
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