"phoenix persönlich": Wirtschaftswissenschaftlerin Prof. Veronika Grimm zu Gast bei Theo Koll - Freitag, 08.03.2024, 18 Uhr
Bonn (ots)
In der Sendung "phoenix persönlich" spricht Theo Koll mit Prof. Veronika Grimm, Mitglied des Sachverständigenrates der Wirtschaft über die Rente mit 63, ihr Aufsichtsratsmandat bei Siemens Energy und die wirtschaftliche Lage in Deutschland.
"Wir haben sehr viele Baustellen, wenn wir die nicht konsequent angehen, dann werden wir Wohlstandsverluste in Kauf nehmen müssen", warnt die Wirtschaftsweise Veronika Grimm.
Sie konstatiert verschiedene Versäumnisse: "Ich glaube, dass es im Endeffekt so war, dass wir in vielen Dimensionen auf Kosten zukünftiger Generationen gelebt haben oder auf Kosten anderer. Unsere Verteidigungsfähigkeit haben wir ausgelagert, bei unserer Energieversorgung haben wir uns sehr abhängig gemacht von Russland. Im Handel sind wir sehr abhängig und haben von diesen Abhängigkeiten natürlich auch profitiert." Gleichzeitig hätten wir nicht genug investiert, so Grimm "und vor allem nicht mutig genug neue Trends aufgenommen, Digitalisierung zum Beispiel."
Sie prognostiziert eine "strukturelle Wachstumsschwäche" für Deutschland. "Die Babyboomer-Generation wird in den Ruhestand gehen und dadurch sinkt das Arbeitsvolumen deutlich. Verstärkender Effekt ist noch, dass die Arbeitszeiten pro Erwerbstätigen sich reduzieren. Die Leute wollen weniger arbeiten. Nur noch Vier-Tage-Woche, Work-Life-Balance - das ist im Einzelfall natürlich nachvollziehbar. Für die Gesamtwirtschaft bedeutet das, dass das Arbeitsvolumen sinkt und nicht durch die Zuwanderung kompensiert werden kann."
Grimm plädiert für die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters. "Das wirklich große Problem ist, dass wir ja jetzt schon fast ein Drittel des Bundeshaushalts als Zuschuss für die gesetzliche Rentenversicherung zahlen. Wenn das ansteigt, dann ist natürlich klar, dass der Spielraum für Investitionen und für anderweitige Ausgaben, für Forschung und Entwicklung beispielsweise, sinkt." Die Wirtschaftswissenschaftlerin hält es für nötig, die Rente mit 63 nur noch für Menschen mit gefährdeter Gesundheit zu ermöglichen. "Ich glaube, man kann sich das als Gesellschaft leider nicht leisten", so Grimm und verweist darauf, dass "nicht unbedingt diejenigen, die nicht mehr können, die wirklich krank sind, die wirklich wenig verdienen in den Genuss kommen, sondern es sind eben auch viele, die eigentlich gut dastehen."
Die Kritik daran, dass sie als Mitglied des Sachverständigenrats auch ein Aufsichtsratsmandat bei Siemens Energy angenommen hat, habe sie überrascht, sagt Veronika Grimm: "Ich hatte damit nicht gerechnet. Ich habe das im Vorfeld rechtlich klar abklären lassen von beiden Seiten, ob das kompatibel ist. Das Sachverständigenratsgesetz erlaubt das ausdrücklich. Wir sollen unabhängig sein von der Regierung, von Verbänden und eben von Regierungsorganisationen. Aber Tätigkeiten in der Wirtschaft erlaubt das Gesetz explizit."
Gleichwohl macht Grimm deutlich: "Wenn es zum Beispiel um Siemens Energy geht, und die Frage ist, sollten die Bürgschaften bekommen oder nicht, da würde ich natürlich sagen, in dieser Doppelfunktion bin ich nicht sprechfähig. Und das wäre natürlich durch die Transparenz, die ja mit diesem Mandat und dem Sachverständigenratsmandat einhergeht, völlig klar, dass ich mich dazu nicht äußern würde."
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