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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) kommentiert zur Nachfolge von Tony Blair

Bielefeld (ots)

Er wurde schon als »Prinz Charles der
Downingstreet« verspottet. Doch nach zehn Jahren des Wartens ist der 
britische Schatzkanzler Gordon Brown heute am Ziel seiner politischen
Träume angelangt. Der seit Sonntag amtierende neue Labour-Chef wird 
auch Nachfolger des künftigen Nahost-Vermittlers Tony Blair als 
Premierminister Großbritanniens.
Für den Workaholic aus dem schottischen Glasgow war es ein langer 
Weg, auch wenn er heute nur ein Haus weiter von Downing Street Nummer
11 in Downing Street Nummer 10 wechselt. Brown hat über Jahre zu 
seinem eigenen Verdruß im Schatten des Strahlemanns Blair stehen 
müssen, auch wenn seine Landsleute natürlich wissen, dass ihm als 
Schatzkanzler ein gehöriger Anteil am wirtschaftlichen Aufschwung und
dem Abbau der Arbeitslosigkeit auf der Insel zukommt.
Brown hat so gar nichts von dem schauspielerischen Talent und dem 
Charme, mit dem Blair von zehn Jahren bei seinem Amtsantritt die 
Briten überzeugte und über lange Jahre verzauberte. Erst mit seinem 
Eintritt in den Irak-Krieg an der Seite der Amerikaner, den Blair 
noch heute vehement als richtig verteidigt, verblasste die 
Popularität des bisher jüngsten Premierministers.
Lange Zeit einer der einflussreichsten Regierungschefs nicht nur auf 
der Insel, war Blair zuletzt nur noch umstritten, was sich auch in 
den schlechten Umfrageergebnissen für die Labourpartei äußerte. Doch 
momentan liegt Labour wieder vor den Konservativen. Die Briten 
erwarten also viel von dem zurückhaltenden Eigenbrötler Brown. Klar 
ist, dass in Downing Street 10 ein gänzlich anderer Regierungsstil 
Einzug hält. Die Briten werden vor allem gespannt sein, wie Brown mit
dem Thema Irak umgehen wird, auch wenn er schon bekräftigt hat, die 
»internationalen Verpflichtungen« würden erfüllt.
Nun hat der Schotte solange auf seine Chance warten müssen. Aber 
egal, ob er Neuwahlen schon im nächsten Jahr oder spätestens 2010 
ansetzt, sein Kampf ums politische Überleben hat bereits heute 
begonnen. Er muss nicht nur die eigene Partei in Schuss bringen, 
sondern auch die von Blair enttäuschten Wähler wieder von Labour 
überzeugen.
Auch wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel hofft, »dass wir auch künftig
aus Großbritannien so positive Worte über Europa hören werden, wie 
wir es unter Tony Blair gewohnt waren«, unter Brown wird das Land 
nicht näher an die EU heranrücken, eher die Distanz noch stärker 
betonen.
Schon die Äußerung Merkels war schmeichelhaft für Blair. Er 
kokettierte damit, im Herzen ein überzeugter Europäer zu sein, Blairs
Handeln war jedoch ganz im Sinne seiner Landsleute allzu häufig vom 
Gegenteil bestimmt.
Auf dem Festland sollte sich also niemand Illusionen hingeben: Der 
Europaskeptiker Brown wird nicht plötzlich sein Herz für Europa 
entdecken. Künftig wird noch stärker gelten: Ja zur EU nur zu Dingen,
die nützlich für Großbritannien sind.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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