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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Marco-Prozess

Bielefeld (ots)

Wer mit einem Kind unter 14 Jahren sexuellen
Kontakt hat, macht sich strafbar. Diese Regel gilt in Deutschland - 
aber auch in der Türkei. Und dort sitzt seit elf Wochen der 
17-jährige Marco aus Uelzen wegen eben eines solchen Vorwurfs im 
Gefängnis.
Ob zu Recht oder zu Unrecht, das wissen mit Bestimmtheit nur die 
beiden beteiligen Personen des folgenschweren Urlaubsflirts. Neben 
dem Schüler aus Deutschland ist das die 13-jährige Britin Charlotte, 
deren Mutter Marco wegen des Missbrauchs ihrer Tochter angezeigt hat.
Dass es diesen Missbrauch im strafrechtlichen Sinne tatsächlich 
gegeben hat, daran besteht inzwischen kaum noch ein Zweifel. 
Schließlich hat Marco in einem Interview eingeräumt, mit Charlotte 
schlafen zu wollen. Das sei auch ihr Wunsch gewesen. Im Zimmer seines
Urlaubsflirts habe er vorzeitig einen Samenerguss gehabt, ohne 
Charlotte aber an intimen Stellen berührt zu haben.
Diesen Vorwurf erhebt angeblich nicht einmal die 13-Jährige. Sie will
in ihrem Bett eingeschlafen sein, als Marco im Zimmer war. Als sie 
aufgewacht sei, habe er auf ihr gelegen und es sei feucht gewesen. 
Fest steht demnach, dass Marco weder gewaltsam in das Zimmer gekommen
ist, noch ansonsten Gewalt angewendet hat. Und dass Charlotte ihm 
gewisse Hoffnungen gemacht haben muss.
Einerlei, welche der beiden Versionen nun den Tatsachen entspricht - 
für die Urteilsfindung ist weitaus wichtiger, ob Marco geglaubt wird,
dass sich die Britin ihm gegenüber als zwei Jahre älter ausgegeben 
hat. Diese Behauptung des deutschen Schülers klingt zumindest 
plausibel und ist objektiv betrachtet auch realistisch. Jugendliche 
in diesem Alter machen sich gern ein wenig älter, um zu gefallen - 
sei es durch Kleidung, Auftreten oder Sprüche.
Und wer zu später Stunde noch in der Disco ist, kann schließlich kaum
noch 13 sein. Da es in diesem Fall aber offensichtlich so war, muss 
zumindest über die mögliche Verletzung der Aufsichtspflicht der 
Eltern des Mädchens nachgedacht werden - ohne damit vom eigentlichen 
Vorwurf der sexuellen Handlungen ablenken zu wollen.
Keine Frage, elf Wochen Untersuchungshaft für Marco sind eine lange 
Zeit. Vor allem unter den Bedingungen einer türkischen Strafanstalt, 
die mit deutschen Verhältnissen nicht zu vergleichen ist. 
Andererseits steht fest, dass bei Flucht- oder Verdunklungsgefahr 
auch in Deutschland beim Vorwurf eines solchen Vergehens durchaus 
eine U-Haft angeordnet werden könnte und vermutlich auch würde. Das 
hat der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes in dieser Woche 
unterstrichen. Deshalb sollte die Kritik aus Deutschland an der 
türkischen Justiz in diesem Fall nicht zu lautstark sein. Das gilt 
vor allem für die Politiker. Das hat auch Angela Merkel erkannt. Die 
Bundeskanzlerin mahnt leisere Töne an, um Marco und den morgen 
stattfindenden Prozess nicht mit einer Hypothek zu belasten.
Hoffentlich kommt diese Mahnung nicht zu spät.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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