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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Start der Tour de France

Bielefeld (ots)

Willkommen zur Tour de Farce, der wahrscheinlich
größten Mogelpackung des organisierten Sports. Drei Wochen lang dreht
sich das große Rad, obwohl noch nicht einmal offiziell feststeht, wer
vor einem Jahr gewonnen hat.
 Augen zu und Tour.
So klar und deutlich wie nie zuvor liegen die Beweise für 
systematischen Doping-, Drogen- und Medikamentenmissbrauch im 
Radsport auf dem Tisch: Wer nicht dopt, der nicht gewinnt. Das ist 
nach mehr oder weniger tränenreichen Beichten und gut bezahlten 
Geständnissen gewiss.
Auch deshalb ist das Ergebnis der Tour de France seit mindestens zehn
Jahren immer das gleiche: Riis, Ullrich, Pantani, Armstrong, Landis -
sie alle trugen Gelb. Eine weiße Weste hatten sie nicht. Und die 
Wahrscheinlichkeit, dass in drei Wochen plötzlich ein Saubermann als 
Erster ins Ziel fährt, ist verschwindend gering.
 Augen zu und Tour.
Dieses Motto gilt auch im Fernsehen. Sobald sich neue Fakten ergeben,
werde man aussteigen, wiederholen ARD und ZDF seit Wochen. Trotzdem 
übertragen sie erneut 90 Stunden, die sie mit einem kleinen 
Mäntelchen der Aufklärung überdeckt haben. Aber die Rechte sind 
günstig, der finanzielle Gewinn ist üppig, und die Quote stimmt - 
jedenfalls dann, wenn ein Deutscher vorn mitfährt. Egal mit welchen 
Mitteln.
Augen zu und Tour.
Politik und Gesellschaft mischen ebenso mit. Sportliche Vorbilder 
werden verehrt, sie sind erwünscht, mehr noch als in Kunst, Kultur 
oder Wirtschaft. Wo sonst lässt sich so anrührend zeigen, dass sich 
Leistung lohnt? Wie sonst lässt sich so einfach von Alltagsproblemen 
ablenken? Wo sonst ist der Aufstieg von unten nach oben noch möglich?
Wie wir seit PISA wissen, in der Schule nicht - mit Leibesübungen 
aber angeblich schon.
Deshalb alimentiert der Staat seine Spitzensportler - nicht nur die 
auf dem Rad. 2008 fließen 126 Millionen Euro direkt aus dem 
Bundeshaushalt in die Kassen des Sports. Nur 3,9 Millionen kommen bei
der Nationalen Anti-Doping-Agentur an. 122,1 Millionen Euro werden 
gebraucht, damit die Deutschen 2008 bei Olympia in China möglichst 
viele Medaillen holen.
Denn nur das zählt: Sportförderung hierzulande berechnet sich 
ausschließlich am Erfolg. Wie sauber eine Sportart ist, ist nicht 
entscheidend für die Höhe der Zuwendungen aus dem Staatssäckel. Ist 
das ein glaubwürdiger Ansatz, um Doping zu verhindern?
Augen zu und Tour.
Doch der organisierte Sport will es ja gar nichts anders. 
Ausdrücklich hat er sich dagegen gewehrt, dass im neuen, 
windelweichen Anti-Doping-Gesetz Richter und Staatsanwälte bei 
Sportbetrug eingreifen können. Und dabei wäre ohne deren Ermittlungen
niemals auch nur etwas Licht ins Dopingdunkel gekommen.
Augen zu und Tour.
Warum hat eigentlich niemand ernsthaft erwogen, die 
Frankreich-Rundfahrt abzusagen? Ende, Aus, Neuanfang. Das wäre 
wahrscheinlich das einzige Zeichen gewesen, das der ganzen Welt die 
Augen geöffnet hätte.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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