Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) schreibt zum Streit um das VW-Gesetz:
Bielefeld (ots)
Es geht weder gegen eine Heuschrecke noch gegen einen der umstrittenen Staatsfonds aus China oder der arabischen Halbinsel. Und trotzdem ziehen in Wolfsburg 40 000 Menschen auf die Straße. Sie demonstrieren für das neue VW-Gesetz - und damit auf den ersten Blick gegen die Europäische Kommission. In Wirklichkeit geht es allerdings ebenso gegen den VW-Hauptaktionär Porsche. Er war am Freitag im Aufsichtsrat isoliert. Die für VW typische Abwehrkoalition IG Metall plus X funktionierte diesmal auch mit dem Land Niedersachsen. In den engen Straßen des europäischen Aktienrechts kann ein kleiner Volkswagen einen vor Kraft strotzenden Porsche am Überholen hindern. Natürlich ist eine Mehrheitsbeteiligung, wie Porsche sie bereits bei VW hält, weniger wert, wenn wichtige Entscheidungen statt mit 25 schon mit 20 Prozent der Aktien blockiert werden können. Dennoch fragt man sich, warum sich die EU-Kommission das Recht herausnimmt, so tief in nationale Gesetzgebung einzugreifen. Hier muss sich die beste Lösung durch Wettbewerb unter den Mitgliedsstaaten herausbilden, nicht durch eine Order aus Brüssel. Man wünschte sich, dass die Politiker in Berlin hier etwas deutlicher die deutsche Position verträten. Und auch die große konservative Partei in Bayern, die sonst so sehr auf regionale Sonderrechte und ihre aktive Industriepolitik pocht, sollte Prinzipien nicht so opportunistisch nach dem Wind ausrichten. Auf der anderen Seite täten die Beschäftigten in Wolfsburg und vor allem ihre verbandliche Speerspitze, die IG Metall, gut daran, sich mit den neuen Machtverhältnissen bei VW anzufreunden. In der Vergangenheit sind weder die Gewerkschaftsvertreter und erst recht nicht die Abgesandten der Landespolitik im Aufsichtsrat dadurch aufgefallen, dass sie beherzt und zum Wohl des Unternehmens ins Steuerrad gegriffen hätten. Im Gegenteil: Bei manchen Entscheidungen schienen einige noch vom Rotlicht geblendet zu sein. Das ist heute offenbar anders. Die an der Hartz-Affäre Beteiligten sind nicht mehr in ihren Ämtern. Es scheint, als fielen die Entscheidungen nun wirklich im Interesse des Unternehmens und der Belegschaft. Die Frage, ob sich der Staat an Firmen beteiligt, muss von Fall zu Fall und von Zeit zu Zeit neu entschieden werden. Es gibt wenige positive Beispiele, bei denen es trotz nennenswertem staatlichen Engagement derzeit reibungslos läuft. Besonders teuer kommt dem Staat seine Beteiligung an IKB, West-LB und anderen Großbanken. Gerade im Finanzsektor gibt es aber auch positive Beispiele: Die enge Verzahnung der kommunalen Sparkassen mit der regionalen Wirtschaft nutzt in der Regel dem Standort und den hier lebenden Menschen. Das kann man von EADS und deren wichtigster Tochter Airbus nicht behaupten. Das Hü und Hott und die fehlende Gesamtsicht sollten denen, die sich von der niedersächsischen Sperrminorität die Sicherung der heimischen Arbeitsplätze erhoffen, eine wirksame Warnung sein.
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