Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) schreibt zur Konjunktur:
Bielefeld (ots)
Die Rezession ist da. Die Wirtschaftsleistung in Deutschland schrumpft stärker als erwartet, der Export bricht weg, die Auftragsbücher der Industrie werden dünner. Deutschland im Jammertal? Meinungsbilder vieler Wirtschaftsforschungsinstitute erwecken diesen Eindruck. Die 7000 monatlich vom Ifo-Institut befragten Manager schätzen die Aussichten so schlecht ein wie noch nie seit der Wiedervereinigung, auch die Finanzmarktexperten stimmen ein tiefes Moll an. So ist sie nun einmal, die deutsche Brille: Das Glas wird eher halb leer als halb voll gesehen. Dabei ist die wirtschaftliche Durststrecke überschaubar. Vielleicht schon im nächsten Herbst, spätestens aber zu Beginn übernächsten Jahres wird die Wirtschaft nach Überzeugung vieler Experten wieder Tritt fassen. Nach den Boomjahren 2005 bis 2007 war eine Abkühlung ohnehin zu erwarten. Unvorhersehbar war allerdings, dass der eisige Wind der Finanzkrise einen arktischen Temperatursturz des Wirtschaftsklimas auslösen würde. Aber muss man deshalb gleich in eine Schockstarre verfallen, wie es bei manch Entscheidern der Fall zu sein scheint? Denn die deutsche Wirtschaft hat sich doch frühzeitig warm angezogen. Moderate Tarifabschlüsse, die auch den Gewerkschaften zu verdanken sind, haben die Lohnstückkosten in Deutschland seit der Jahrtausendwende um zwei Prozent sinken lassen. Die Produktivität stieg im Jahresschnitt um 4,3 Prozent, wie das Institut der deutschen Wirtschaft ermittelt hat. Der weltweite Abschwung und die Finanzkrise haben sogar einen positiven Effekt, der vor allem Verbrauchern zugute kommt: Die zuletzt explodierten Energiepreise bröckeln auf breiter Front, Tanken und Heizen werden billiger. Experten beziffern den volkswirtschaftlichen Spareffekt auf bis zu 25 Milliarden Euro. Das ist mehr Geld, als die Regierung in ihr Konjunkturprogramm steckt. Wie stark die deutsche Wirtschaft in den bevorstehenden mageren Quartalen ausgezehrt wird, hängt entscheidend von den Banken ab. Institute, die noch vor Jahresfrist nahezu jedes Risiko einzugehen bereit waren (und von denen etliche bitter büßen mussten), horten heute jeden Cent. Gerade in Krisenzeiten aber brauchen Unternehmen eine verlässliche Finanzierung. Wirtschaft sei zu 50 Prozent Psychologie - dieses Zitat wird Wirtschaftswunder-Kanzler Ludwig Erhard zugeschrieben. Oder andersherum, wie SPD-Fraktionschef Peter Struck sagt: »Ich denke, wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht selbst in eine schwere Rezession hineinreden.« Nun muss man nicht gleich in Zweckoptimismus und Schönfärberei verfallen. Ein wenig mehr Zuversicht aber dürfte es durchaus sein. »Yes, we can«: Mit dieser Überzeugung kann man in den USA Präsident werden. »Ja, wir schaffen das«: So könnte die Übersetzung ins Deutsche lauten.
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