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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT zum Thema Politik und Internet/Wahlkampf

Bielefeld (ots)

Vor Wahlen werden Städte und Gemeinden von den
Parteien mit Plakaten zugekleistert. Auf den Marktplätzen schütteln 
die Spitzenkandidaten Bürgern die Hände, Kindern werden Luftballons 
und Fähnchen mit den Namen der Parteien zugesteckt, für die Eltern 
gibt es Kugelschreiber. Noch sieht Wahlkampf so aus.
Künftig wird er verstärkt im Internet ausgetragen. Parteien haben 
hier bessere Chancen als in Fußgängerzonen, die so wichtige 
Zielgruppe der Jungwähler zu erreichen. Wenn sie sich nicht nur 
darauf beschränken, das Wahlprogramm ins Netz zu stellen, sondern die
Mitsprache im Vorfeld politischer Entscheidungen aktiv fördern, steht
ihnen ein Erfolg versprechendes Kommunikationsinstrument zur 
Verfügung. Es ist ein neuer Kanal für das Gespräch mit dem Wähler; 
der Dialog mit den Bürgern im Ortsverein oder der Fußgängerzone wird 
dadurch nicht überflüssig, aber ergänzt.
Außerdem bietet das Internet neue Möglichkeiten der Ansprache. Wer 
auf den Seiten Barack Obamas surfte, hinterließ einen Fußabdruck, das
sogenannte Cookie. Längst sammeln Parteien und Firmen diese Spuren 
und entwickeln daraus persönliche Profile. Auf deren Grundlage können
Parteien gezielt Bevölkerungs- und Altersgruppen übers Internet 
ansprechen - junge Frauen etwa, wenn sie an deren Meinung zur 
Familienpolitik interessiert sind, oder Politiker schlicht für das 
schon Geleistete werben möchten.
Das Internet hat als leichter Zugang zu Politik Zukunft, aber als ein
Allheilmittel geht es nicht durch. Der Versuch, Barack Obamas 
Mobilisierungskampagne in Deutschland zu kopieren, würde scheitern. 
Die Präsidentschaftswahlen in den USA waren eine Personenwahl. 
Menschen, gerade wenn sie so viel Ausstrahlung entfalten wie Obama, 
ziehen ein stärkeres Interesse auf sich als Parteien. In Deutschland 
wird der Bundeskanzler nicht direkt vom Volk gewählt.
Selbst wenn die Parteien das Netz als virtuellen Marktplatz der 
Meinungen und Chance zum Mitreden etablieren, beseitigt das eine 
Strukturschwäche des deutschen Politiksystems nicht. Während die 
Menschen auf lokaler Ebene, also in Bürgerinitiativen und Stadträten,
wirklich Einfluss auf die Entscheidungen vor Ort nehmen können, sieht
das auf der höchsten Ebene anders aus. Hier stellen immer häufiger 
Expertenkommissionen und nicht die Abgeordneten die Weichen. 
Lobbyorganisationen spielen ihre Macht aus. Beispiel Kfz-Steuer: Der 
jetzt so umstrittene Reformentwurf, der Besitzer von Geländewagen 
stärker entlasten würde als Kleinwagenfahrer, liest sich, als sei er 
vom Verband der deutschen Automobilindustrie geschrieben worden.
Solche Beispiele erzeugen beim Bürger Verdruss, den Eindruck: »Mein 
Volksvertreter ist auch nur ein kleines Rädchen.« Fazit: Wenn 
Parteien mehr Bürger für Politik begeistern wollen, dürfen sie das 
Internet nicht vernachlässigen, müssen aber gleichzeitig den Einfluss
der Verbände verringern.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original content of: Westfalen-Blatt, transmitted by news aktuell

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