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Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) kommentiert:

Bielefeld (ots)

Reisende soll man nicht aufhalten. Das gilt erst
recht für reisende Politiker, die sich schon von ihren Ämtern 
verabschiedet haben.
Wenn der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer trotzdem zunächst versucht 
hat, seinen Parteikollegen Michael Glos zum Rücktritt vom Rücktritt 
zu überreden, dann hatte er dafür Gründe; der wichtigste: Seehofer 
war dabei, sich ins Abseits zu manövrieren. Das politische Berlin ist
immer weniger willens, die Querschüsse aus München hinzunehmen. 
Inakzeptabel war es auch, dass Seehofer bereits über einen Nachfolger
spekulierte, als Glos noch fest im Amt war. Am Beginn einer 
Wirtschaftskrise und im Wahljahr ist dieses Verhalten untragbar. Es 
wurde Zeit, dies zu beenden.
Ohnehin war es eigentlich von Anfang an Sache der Bundeskanzlerin und
nicht Seehofers, einen Minister im Amt zu halten oder zu entlassen. 
In der besonderen Arithmetik einer Drei-Parteien-Koalition aber kann 
Angela Merkel nicht frei agieren. Im Grunde kam ihr ein schwacher 
Glos seit langem zupass. Jedes Mal, wenn sich der gelernte 
Müllermeister aus Unterfranken mit Finanzminister Peer Steinbrück, 
Umweltminister Sigmar Gabriel oder einem anderen Minister aus ihrem 
Kabinett anlegte, stärkte sie Glos' Widerpart den Rücken.
Der Wirtschaftsminister hat in dem Amt, das er nicht wollte, keine 
Akzente gesetzt. Man muss ihm zugute halten, dass er viel lieber 
Verteidigungsminister geworden wäre. Er hätte dieses Amt wohl auch 
bekommen, hätte sich Wackel-Politiker Edmund Stoiber nicht in letzter
Sekunde gegen Berlin entschieden. So musste der Parteisoldat Glos in 
die Rolle des Lückenbüßers schlüpfen: eine glatte Fehlbesetzung.
Die Diskussion um mögliche Alternativen hat früh eingesetzt. Die 
Mehrheit nicht nur in der Union hätte viel lieber Friedrich Merz auf 
dem Posten gesehen. Inzwischen hat der hellsichtige, aber auch 
eigensinnige Sauerländer der Politik adieu gesagt. Später drehte sich
die Gerüchteküche vor allem um den hessischen Ministerpräsidenten 
Roland Koch. Ein Ringtausch - Koch neuer Wirtschaftsminister, Glos 
Verteidigungsminister und Amtsinhaber Franz-Josef Jung neuer 
Regierungschef in Wiesbaden - hätte wohl auch die Zustimmung des 
Franken erhalten. Doch dann konnte - Ypsilanti sei Dank - Koch doch 
in Hessen bleiben.
Die Personaldecke von CDU und CSU ist dünn. Kompetenz in Sachen 
Marktwirtschaft strahlen heute fast nur Angela Merkel und Peer 
Steinbrück aus - letzterer freilich aus Unionssicht mit dem Handicap,
Inhaber des »falschen« Parteibuchs zu sein. So gesehen könnte ein 
Mittelständler wie Thomas Bauer das Bild der Koalition sogar 
verbessern. Mit einem Wirtschaftsminister auf dem Absprung sind in 
Krisenzeiten dagegen weder die Unternehmer noch die Gewerkschaften 
und erst recht keine Wahlen zu gewinnen. Glos tut gut daran, die 
Fahrkarte in den Ruhestand zu lösen. Wenn nicht jetzt, wann dann? Je 
schneller es geschieht, desto größer die Chance, dass vom Lebenswerk 
des einst geschätzten Politikers mehr bleibt als die Erinnerung an 
dieses Scheitern.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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