Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Wahlkampf 2009:
Bielefeld (ots)
Als ob Angela Merkel mit der Wirtschaftskrise nicht schon genug Probleme hätte, kriegt jetzt ihre Partei das große Zittern. Nach den jüngsten Umfrageergebnissen werden Forderungen an die Parteichefin laut, mehr für das Profil der CDU zu tun. Franz Müntefering kann's freuen. Der SPD-Chef hat für eine erstaunliche Ruhe in den eigenen Reihen gesorgt, nun brennt es auch noch im gegnerischen Lager. Dass die gleichen Umfragen weiter eine Mehrheit für Union und FDP prognostizieren und die SPD deutlich unter der 30-Prozent-Marke eingemauert sehen, stört den Sauerländer derzeit wenig. Sein erstes Etappenziel ist erreicht. Die CDU ist nervös, das Murren unüberhörbar. Mit der Rede zum Papst und dem Schweigen zu Steinbach hat sich Merkel Sympathien verscherzt. Konservative Katholiken und Vertriebene in der CDU hätten es lieber andersherum gehabt. Zum Kristallisationspunkt der Debatte aber dürfte der Fall Opel werden. Arbeitsplatzrettung oder Insolvenz lautet verfälschend verkürzt die Alternative. Die Tücke: Verweigert der Staat die Hilfe, stehen der Kanzlerin zigtausend arbeitslose Opelaner gegenüber. Massendemonstrationen im Sommer 2009? Ein Horrorszenario für jeden Wahlkampfmanager. Versucht der Staat zu retten, was nicht mehr zu retten ist, wird sich Merkel Wettbewerbsverzerrung und die Verschwendung von Steuergeldern vorwerfen lassen müssen. Der letzte ordnungspolitische Damm wäre gebrochen. Letzteres ficht ihren Kontrahenten Frank-Walter Steinmeier nicht an. Der SPD-Kanzlerkandidat hat sich positioniert. Opel muss gerettet werden - um jeden Preis. Kommt es so, wird sich Steinmeier bestätigt sehen. Kommt es anders, wird nicht er, sondern Merkel verantwortlich gemacht. Eine Drucksituation, der die Kanzlerin wie stets begegnet: kühl und gelassen. Wiederholt hat Angela Merkel bewiesen, dass sie auf den rechten Moment warten kann. An ihrer Durchsetzungskraft sollte keiner zweifeln, erst recht nicht in einem Superwahljahr. Dennoch lassen sich einige ihrer »Parteifreunde« verrückt machen. Dabei geht es allenfalls am Rande um den oft beschworenen, aber selten definierten »Markenkern« der Partei. Vielmehr stehen handfeste eigene Interessen im Vordergrund. In der CDU fehlt jemand, der den vielstimmigen Chor der Ministerpräsidenten in Gleichklang und aufmüpfige Hinterbänkler zur Räson bringt. Das ist der Preis, den die CDU-Chefin für ihre Personalpolitik bezahlt. Angela Merkel verlässt sich am liebsten auf sich selbst. Die Partei aber muss sich auf Merkel verlassen. Die CDU hat keine Wahl. Merkel ist ihr Trumpf, den es zu schützen gilt - mindestens, bis die Bürger Ende September an die Urnen gerufen werden. Die CDU-Chefin liebt den Wahlkampf nicht, aber sie wird ihn ganz sicher nicht verschlafen. Sie will aber nicht zu früh aus der Deckung kommen. Ein Dauerzwist in der Koalition würde zuerst der Regierungschefin selbst angelastet - der Kanzlerbonus wäre in sein Gegenteil verkehrt.
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