Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum G8-Gipfel/Klima
Bielefeld (ots)
Ignorieren, verharmlosen, vertagen: So ging die Politik bislang mit dem Thema Klimawandel um. Der G8-Gipfel im italienischen L'Aquila stellt eine Wende dar. »Wir nehmen die Erderwärmung ernst und treten ihr entgegen«: So lautet die Botschaft der führenden Staats- und Regierungschefs. Die globale Erwärmung soll auf zwei Grad begrenzt werden. Die USA, die als größter Umweltverschmutzer jahrelang Fortschritte blockierten, wandeln sich unter Barack Obama vom Saulus zum Paulus. Nachdem das Land unter dem Texaner George W. Bush ein Jahrzehnt beim Klimaschutz verloren hat, legt Obama jetzt den Vorwärtsgang ein. Er einigte sich mit den Regierungschefs darauf, den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid bis 2050 um 80 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Der Regierungswechsel in Washington war ein guter Tag für das Weltklima. Dass die G8 China und Indien sowie Schwellenländer wie Brasilien für ihr Klimaschutzziel gewinnen konnten, darf mit Fug und Recht als historisch bezeichnet werden. Peking schrieb Umweltschutz bislang klein und ordnete alles dem Wirtschaftswachstum unter. Die stetige zweistellige Steigerung der Industrieproduktion ging im Reich der Mitte mit einer rücksichtslosen Verseuchung von Flüssen, dem Raubbau an der Natur, einher. Auch Indien erlebt einen stürmischen Wirtschaftsaufschwung und stößt dabei immer mehr CO2 aus. Klimaschutz ohne die beiden geografischen wie ökonomischen Riesen China und Indien betreiben zu wollen, könnte nicht funktionieren. Nun sitzen Peking und Neu Delhi mit im Boot. Die Zeit drängt. Im schlimmsten Fall kommt es bis 2100 zu einer Erderwärmung von bis zu 6,4 Grad. Dann würde der Schnee in den deutschen Skigebieten verschwinden. Für am wahrscheinlichsten halten Wissenschaftler 3,5 Grad mehr als vor Beginn der Industrialisierung im 18. Jahrhundert. Würde die Politik abwarten statt zu handeln, steigen in Deutschland die Kosten durch Hochwasser, Waldbrände, Stürme oder Dürreperioden bis 2050 auf etwa 330 Milliarden Euro, warnt Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Um das Minimalziel, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, zu erreichen, müsste der jährliche CO2-Ausstoß pro Kopf auf drei Tonnen reduziert werden - und das sofort. Wenn man bedenkt, dass jeder Deutsche heute zehn Tonnen pro Jahr produziert, ein Amerikaner sogar 20 und ein Scheich in Katar sage und schreibe 61 Tonnen, dann wird deutlich, welche Herkulesaufgabe sich die Welt in L'Aquila gegeben hat. Dass der Gipfel kein Basisjahr festlegte, an dem die CO2-Minderung gemessen wird, ist ein Versäumnis. Dennoch handelt es sich nicht um eine bloße Absichtserklärung. Die Staatschefs wissen, dass dem Klima-Beschluss von Italien Taten folgen müssen. Sonst stehen das Klima und die Glaubwürdigkeit der Staatengemeinschaft auf dem Spiel.
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