Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Strukturkrise im Erzbistum Paderborn
Bielefeld (ots)
Seit mehreren Jahren in Folge werden zu Pfingsten im Paderborner Dom weniger als zehn Männer zu Priestern geweiht. Der Tiefpunkt mit drei Priesterweihen steht offenbar im nächsten Jahr an. Nur drei Neupriester aus dem Erzbistum Paderborn, das fast fünf Millionen Einwohner und knapp 1,7 Millionen Katholiken zählt: Da bedarf es keines mathematischen Hochschulstudiums, um das ganze Ausmaß der »Kirche in Not« zu verstehen. In einer Zeit, in der erfahrene Fernsehzuschauer mühelos die Namen der zehn Finalisten der Casting-Schau »Deutschland sucht den Superstar« herunterbeten, aber bei den zwölf Aposteln hoffnungslos überfordert sind, liegt die Glaubenslehre unserer Kirche im Trüben. Die Werte haben sich dramatisch verschoben: Spaß und Event stehen mit dem Abstand eines Universums vor Kirche und Gebet. Auch im ländlichen Raum von Ostwestfalen-Lippe: Nur noch zwölf Prozent der Christen einer katholischen Landgemeinde wie Hövelhof im Kreis Paderborn gehen regelmäßig zum Gottesdienst. Kirche ist immer dann willkommen, wenn sie kostenfrei ein nettes Rahmenprogramm liefert. Natürlich: Die Christmette zu Weihnachten, die gehört dazu. Die ergreifende Feier der Erstkommunion: Oh ja, bitte schön. Die Hochzeit mit der Braut im weißen Kleid: Naja, schon deutlich weniger, aber nett ist es doch. Und wo bleibt der getaufte Christ außerhalb des Feier-Programms? In der katholischen Kirche von Paderborn ist am Wochenende Tacheles geredet worden - wenn auch in feinen Worten. Die vor vier Jahren in Schwerte vom Erzbischof angekündigte »Perspektive 2014« geht deutlich über eine Neustruktur der Pfarrverbünde hinaus. Die Zusammenlegung mehrerer Verbünde zu einem neuen Verband mit mehren zehntausend Gläubigen bedeutet den Verzicht auf lieb und augenscheinlich allzu selbstverständlich gewordene, seit Jahrhunderten bestehende Traditionen und Gepflogenheiten. Die meisten Seelsorger ersticken im Organisations- und Verwaltungsalltag unter einer schier unerträglichen Last, die ihnen bei der Betreuung gleich mehrerer Gemeinden auferlegt wird. Pfarrer und Pastöre wirken eher als Manager statt als geistliche Seelsorger. Was wird aus der Ortskirche? Diese Frage hat der Erzbischof am Samstag fast provozierend gestellt. Die Antwort haben die Christen auch selbst in der Hand. Sie sind getauft und gehören einer Gemeinschaft an, die nicht nur Versorgungscharakter trägt. Kirche und Gemeindeleben sind weit mehr als nur eine Mitgliedschaft im Schützenverein oder in der Frauengemeinschaft. Den Priestermangel wird die neue Struktur, die Paderborn unter dem Druck der demographischen, finanziellen und personellen Rahmenbedingungen hoffnungsvoll auf den Weg bringt, nicht beseitigen. Zur Lösung dieser Frage gehört das Gebot des Zölibats auf die Tagesordnung. Weniger in Paderborn, sondern in Rom.
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