Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Einigung im Tarifkonflikt
Bielefeld (ots)
Die Einigung im Tarifstreit der Metall- und Elektroindustrie ist ein Sieg der Vernunft. Zurecht können sich Gewerkschaften und Arbeitgeber auf die Schulter klopfen. Nach einer relativ kurzen Tarifauseinandersetzung ist ein Abschluss herausgekommen, der der gegenwärtigen schwierigen wirtschaftlichen Situation Rechnung trägt. »Was ist ambitionierter, als Beschäftigung zu sichern in der größten Wirtschaftskrise seit 80 Jahren« erklärte gestern IG-Metall-Chef Bertold Huber. Ein Streik, das wussten alle Beteiligten, hätten zum einen keine Rückhalt in der Bevölkerung gehabt und wäre zum anderen angesichts des dramatisch eingebrochenen Auftragsvolumens in den Betrieben von bis zu 50 Prozent und mehr nicht zu rechtfertigen gewesen. Das Thema Beschäftigungssicherung in den Mittelpunkt der Verhandlungen zu stellen, war die richtige Strategie. Was nutzt den Mitarbeitern ein Euro mehr im Portemonnaie, wenn sie am Ende gekündigt werden, weil es schlicht keine Arbeit gibt. Die Gefahr war akut. So sah die IG Metall bis Ende 2012 etwa 700000 der insgesamt 3,4 Millionen Arbeitnehmer in der Metallbranche gefährdet, wenn die Kurzarbeit ausläuft und es an alternativen Konzepten zur Beschäftigungssicherung fehlt. Dank einer Ausweitung der Kurzarbeit ist dieses Schreckgespenst zunächst vertrieben. Die Mitarbeiter sind für ein Jahr vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt. Und auf Arbeitgeberseite entlastet die Kurzarbeit kleine wie große Unternehmen von den Lohnkosten und unter bestimmten Voraussetzungen auch komplett von den Sozialabgaben. Arbeitgeber können sich die Sozialabgaben für Kurzarbeiter von der Bundesagentur für Arbeit erstatten lassen. Allerdings sitzt bei der Tarifeinigung - zumindest indirekt - auch der Steuerzahler mit im Boot. Die Arbeitgeber erwarten von der Bundespolitik, dass beim vereinbarten tariflichen Kurzarbeitergeld keine Sozialversicherungsabgaben fällig werden. Dies ist bei der gesetzlichen Kurzarbeit bereits der Fall. Wenn damit tatsächlich Jobs gesichert werden, ist die Forderung berechtigt. Gleichwohl darf die Freude der Tarifparteien nicht über den Ernst der Lage hinwegtäuschen. Noch liegt die Auslastung in den Betrieben bei durchschnittlich nur 80 Prozent. Die Kurzarbeit kann allenfalls über eine Schwächephase hinweghelfen. Eine Dauerlösung ist sie nicht, weil sie für die Arbeitgeber zu teuer würde. So gesehen, baut der Tarifabschluss auf eine sich erholende Konjunktur. Ob die Einigung bei den Metallern Signalwirkung auf den festgefahrenen Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst hat, ist fraglich. Die Voraussetzungen sind nicht vergleichbar. Zum einen stiegen die Gehälter im öffentlichen Dienst deutlich langsamer, zum anderen gab es keinen Auftragseinbruch. Dennoch: Eine Einigung ohne Streik wäre auch hier wünschenswert - und vernünftig.
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