Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema "Hilfe von China":
Bielefeld (ots)
Während die USA und Europa unter gewaltigen Schuldenbergen ächzen, weiß China kaum, wohin mit dem Geld. Pekings Tresor ist dank der großen Handelsüberschüsse prall gefüllt - mit weltweiten Devisenreserven von umgerechnet 2300 Milliarden Euro. Das Geld, soviel weiß die kommunistische Regierung im Reich der Mitte vom Kapitalismus, sollte gut angelegt werden. Warum also nicht in Form von Staatsanleihen für klamme Eurostaaten? Die helfende Hand aus China - nicht überall stößt dieses Angebot auf offene Ohren. EU-Kommissar Günther Oettinger etwa warnte: »Wir Europäer verkaufen unsere Seele.« Ist das so? Natürlich macht keine Regierung ein Angebot, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten. Auch China bietet seine Milliarden keineswegs uneigennützig an. Das Riesenreich will von den Europäern als volle Marktwirtschaft anerkannt werden, was wiederum Schutz vor Handelsstreitigkeiten - etwa bei Anti-Dumping-Klagen - gewähren würde. Ob das ein zu hoher Preis ist, müssten Fachleute im Einzelfall klären. Tatsache aber ist, dass China bereits jetzt eng mit den Volkswirtschaften in den USA und Europa verwoben ist. Die gewaltige Nachfrage nach Produkten aller Art in China sichert hierzulande Arbeitsplätze. Ein Beispiel liefert die Autobranche. Umgekehrt profitieren Millionen Verbraucher im Westen von (relativ) preiswerten Fernsehern, Schuhen, Spielzeug, Smartphones, von denen ein Großteil im Reich der Mitte gefertigt wird. »China kann sich nicht ohne die Welt entwickeln und die Welt nicht ohne China«, sagt Pekings Vizeminister Zhang Xiaoqiang. Mit seinem Wachstum von jährlich neun Prozent ist China die wirtschaftliche Lokomotive der Welt. Und investiert bereits kräftig in Sachwerte: In Bielefeld etwa hat China den Nähmaschinenhersteller Dürkopp-Adler übernommen, in Essen den Computerhersteller Medion, in England den Autohersteller Rover, in Schweden Volvo und in Griechenland den Hafen Piräus. Und doch ist das Riesenland nicht so stark, dass es die Welt retten könnte. So haben die Volkswirtschaften in den USA und der EU einen Anteil von 60 Prozent, China bringt es dagegen bisher nur auf 9,5 Prozent. Die gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit von Ost und West ist bereits heute Realität und Folge der Globalisierung. Sie ist zwar kein Garant dafür, dass ernsthafte politische und womöglich militärische Konflikte vermieden werden. Die Wahrscheinlichkeit aber, dass die ideologisch so unterschiedlichen Staaten ihre Meinungsverschiedenheiten - etwa in Fragen der Menschenrechte - weiterhin auf friedlichem Wege zu lösen versuchen, steigt. Die helfende Hand Chinas dürfen die Europäer getrost annehmen, ohne dabei als »Preis« ihre Kritik an Zensur und Folter zurückzunehmen. Das wird auch Staatspräsident Wen Jiabao nicht anders erwarten. Ihre Seele verkaufen die Europäer mit diesem Deal nicht.
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