Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Insolvenz des Nürburgrings
Bielefeld (ots)
Sir Jackie Stewart verpasste der Nordschleife ihren Zweitnamen. Auf den dreimaligen For- mel-1-Weltmeister wirkte der Abschnitt »Achterbahn«, der bis 1970 durch Hecken gesäumt war, wie die »Grüne Hölle«. Die finanzielle Hölle erlebt jetzt die Nürburgring GmbH. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck kündigte gestern an, dass ein »geordnetes Insolvenzverfahren eingeleitet wird«. Die Schuldigen der Misere sind bei Betreibern, Politikern und Ex-Rennfahrern schnell ausgemacht: Die EU soll schuld sein - weil sie mehr Zeit braucht, um die Vergabe von 13 Millionen Euro zu bewilligen. Doch diesmal ist der aktuelle Lieblingsschuldige der Deutschen nicht verantwortlich zu machen. Der Niedergang des Nürburgringes ist eine Geschichte von Gier und Größenwahn. Die Formel 1 ist eine Gelddruckmaschine. Für diejenigen, die die Lizenzen vergeben. Für die, die hinter dem Steuer sitzen. So war Michael Schumacher der erste Sportler, der über eine Milliarde Mark mit seiner Profession und Werbung verdiente. Was Impresario Bernie Ecclestone auf seinen Konten haben muss, erahnt man, seit er sich von seiner Frau Slavica hat scheiden lassen. 670 Millionen Euro bekam das ehemalige Model zugesprochen. Und um seine Macht zu sichern, soll der Brite dem ehemaligen Vorstandsmitglied der BayernLB, Gerhard Gribkowsky, 44 Millionen Dollar Schmiergeld gezahlt haben, um einen Verkauf der BayernLB-Anteile an die Formel-1-Holding zu erreichen. Dies bestreitet Ecclestone jedoch. Aber natürlich muss auch einer diese Rechnungen begleichen. Neben den Zuschauern, Sponsoren und TV-Anstalten sind das die Betreiber der Rennstrecken. Und um weiter Mitglied im edlen Kreis der PS-Königsklassen-Gastgeber zu sein, verliert man schon mal den Überblick. Das ist am Nürburgring passiert. Die Pläne, den Ausbau privat zu stemmen, scheiterten. Auch Finanzminister Ingolf Deubel kostete das den Job. 350 Millionen Euro Steuergelder flossen allein in das Projekt Nürburgring 2009. Insgesamt soll das Lieblingsprojekt von Ministerpräsident Kurt Beck, der sich 2007 zu der Bemerkung verstieg, dass sich die Investitionen in drei Jahren amortisiert hätten, 524 Millionen Euro verschlungen haben. Jetzt verbal auf die EU einzudreschen ist billig. Und den Nürburgring zum »deutschen Stück Kulturgut« zu verklären, wie es Hans-Joachim Stuck, dreimaliger Sieger des 24-Stundenrennens auf dieser Rennstrecke, tat, grenzt an Realitätsverlust. Und zu beklagen, wie Beck es tat, dass 100 Milliarden Euro für private Banken ohne Wettbewerbsprüfung bereitgestellt würden, »und uns hat man ein paar Millionen Übergangshilfen verweigert«, ist Größenwahn. Denn das europäische Bankensystem zu erhalten ist doch ein bisschen wichtiger als der Erhalt einer Rennstrecke. Und der Retter in der Not scheint auch schon bereit zu stehen - ausgerechnet Bernie Ecclestone.
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