Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Papst Franziskus
Bielefeld (ots)
Auch die Feierlichkeiten zum Osterfest haben eindrucksvoll bewiesen: Mit Papst Franziskus hat ein neuer Geist in den Vatikan Einzug gehalten. Demütig in den Gesten und klar im Wort will er der katholischen Kirche einen neuen Weg weisen - seinen Weg. Dieser Weg ist so voller Symbolik, dass die Abweichung von der Norm fast schon zur neuen Norm zu werden scheint. Mit seinen Auftritten in der Karwoche und an den Osterfeiertagen hat der 76-jährige Argentinier das Gravitationszentrum der katholischen Kirche wieder ein Stückchen verschoben. Seine Botschaft ist klar: Da macht sich ein Papst klein, um die Sache Gottes um so größer werden zu lassen. Egal, ob bei der Fußwaschung im Jugendgefängnis, als er auch vor weiblichen Häftlingen niederkniet und ihnen die Füße küsst, oder bei der Messe am Karfreitag, als er der Länge nach auf dem Boden des Petersdoms liegt und betet, oder am Ostersonntag, als er wie schon nach seiner Wahl wieder »nur« ein schlichtes weißes Gewand trägt und den traditionellen Segen »Urbi et Orbi« auch »nur« in einer Sprache spendet. Nichts scheint ohne Bedacht gemacht, nichts ohne eigene Bedeutung gedacht. Schon jetzt ist Franziskus ein Papst der beeindruckenden, weil tiefgründigen Bilder. Bilder, die Aufmerksamkeit erzeugen bei Millionen Gläubigen, aber auch bei jenen, die zuletzt nichts mehr mit der Kirche anfangen konnten. Franziskus nährt ihre Hoffnung auf eine neue, eine andere Kirche. Doch dieser Papst belässt es nicht bei Bildern. Ihrer Strahlkraft allein mag er nicht vertrauen. Vielmehr lebt er seine Gesten, macht sich so selbst zum Vorbild. Und er fügt deutliche Worte hinzu, stets gesprochen und nicht gesungen. Das kann er nicht, heißt es. Doch selbst diese persönliche Schwäche verwandelt Franziskus noch in eine Stärke. Dass er dabei zu Ostern die Krisenherde dieser Welt brandmarkt, ist nichts Ungewöhnliches, denn das hatten seine Vorgänger auch getan. Franziskus aber spricht auch die Krise seiner Kirche unmissverständlich an: »Wer nicht aus sich herausgeht, der wird, statt Mittler zu sein, allmählich ein Zwischenhändler, ein Verwalter«, hat er vor 1600 Priestern und Ordensleuten gesagt, und eine Kirche angemahnt, sie sich öffnet und in die Randgebiete geht. Nein, bequem will dieser Franziskus nicht sein. Und recht unbequem könnte er noch werden - vor allem für die römische Kurie. Doch bleibt die Frage, ob Franziskus all den Wünschen, Hoffnungen und Erwartungen, die er seit seiner Wahl mit seinem überzeugenden Wirken gewiss noch verstärkt hat, überhaupt gerecht werden kann. Schon verweisen Kirchenkenner warnend auf das »Obama-Dilemma«. Erst wenn seine Regierungsmannschaft im Vatikan steht, wird man erahnen können, ob Franziskus die Kraft hat, seinen Gesten und Worten auch richtungsweisende Taten folgen zu lassen. Bis dahin jedoch ist es einfach nur eine Wohltat, sich am wunderbaren Auftreten des neuen Papstes zu erfreuen.
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