Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Diskussion in der SPD um ein Tempolimit
Bielefeld (ots)
Was wird aus dem Euro? Können die Jungen von heute die Renten der Alten von morgen noch bezahlen? Statt auf wirklich brennende Fragen Antworten zu liefern, macht der SPD-Vorsitzende ein neues Fass auf. Ohne Absprache mit Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und seiner Partei fordert Sigmar Gabriel ein Tempolimit von 120 auf deutschen Autobahnen. Was hat ihn denn da geritten? Finden die Sozialdemokraten keine andere Themen, mit denen sie punkten können? Mit dieser 120-Forderung ist nicht nur Steinbrück auf 180. Die Tempo-Debatte sei nicht sinnvoll, sagt Steinbrück mit knappen Worten. Wer ihn kennt, weiß, dass er innerlich kocht. Selbst wenn irgendeine Schadstoff- oder Unfallstatistik Gabriels Meinung stützen sollte, ist die Mehrheit gegen Tempolimits auf Autobahnen. Dabei ist Deutschland das einzige Land der Welt, in dem es auf Autobahnen keine Geschwindigkeitsbegrenzung gilt. Das hat nichts mit Wachstum oder Arbeitsplätzen zu tun, sondern eher mit der Befindlichkeit der Deutschen. Dabei drücken Baustellen, dichter Verkehr und schlechte Straßen das Tempo auf den Straßen mindestens so oft wie irgendwelche Verkehrsschilder. Der fast 40 Jahre alte ADAC-Slogan »Freie Fahrt für freie Bürger!« zieht noch immer. Eine ähnliche Beharrlichkeit ist nur beim Reinheitsgebot des deutschen Bieres, bei Fußball-Regeln oder der Forderung von 0,0 Promille am Steuer zu beobachten. Hier einen Bewusstseinswandel in der Bevölkerung zu erzielen, erfordert viel Geduld und gute Argumente. An beidem fehlt es der SPD. Nicht nur deshalb wurden Reizthemen aus dem Wahlprogramm ausgeklammert. Gab es nach dem Steuerfall Hoeneß und dem eigenartigen Verständnis von Familienpolitik in der CSU für Rot-Grün einen winzigen Hauch von Bewegung in den Umfragewerten, so hat es der SPD-Boss mit einem einzigen Interview geschafft, seinen Kanzlerkandidaten auszubremsen. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und die SPD-Verkehrsminister in den Ländern verweigern dem Gabriel-Vorstoß ihre Unterstützung. Sie haben andere Probleme als Tempolimits auf Autobahnen. Ihnen fehlt das Geld, um die Schlaglöcher reparieren zu lassen. Union und FDP können ihr Glück kaum fassen und werfen ihren Gegnern Orientierungslosigkeit vor. Unrecht haben sie nicht. Die SPD-Spitze schafft es zu selten, mit einer Zunge zu sprechen. Warum gibt sich diese Partei ein Wahlprogramm, wenn jeder neue Themen auf den Tisch bringt? Gabriel versucht es mit einem alten. 2007 hatte ein SPD-Parteitag ein Höchsttempo von 130 auf Autobahnen gefordert. Das SPD-Mitglied Gabriel erklärte damals, kein Problem mit dem Parteibeschluss zu haben. Der damalige Bundesumweltminister sagte aber Nein. Sein Name: Sigmar Gabriel.
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