Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum U3-Ausbau
Bielefeld (ots)
Jedes ein- oder zweijährige Kind in OWL wird wohl einen Betreuungsplatz bekommen, wenn seine Eltern das wollen. Die Kommunen sind überzeugt, dass sie den von 1. August an geltenden Rechtsanspruch erfüllen können. Ziel erreicht. Das sagt jedoch nichts über die Qualität der Betreuung aus. Danach fragt im Übereifer des per Quotenvorgabe vorangetriebenen Ausbaus aber niemand. Ein Fehler, der uns in einigen Jahren einholen wird. Alleine die Tatsache, dass die Vorgaben zur Betreuung - von Gruppengröße bis Baustandards - verändert wurden, spricht Bände. Mehr Kinder, weniger Auflagen für Baufirmen: Das hat mit dem unbedingten Willen zu qualitativ hochwertiger Betreuung nichts zu tun. Diese Punkte sind aber auch die Gründe, weshalb der U3-Ausbau trotz aller berechtigter Skepsis doch noch funktioniert hat. Das gilt aber nicht für alle Bundesländer. In Niedersachsen fehlen etwa 3000 Betreuungsplätze für unter dreijährige Kinder. In Hessen liegen erste Klagen vor. Es werden die Kommunen sein, die sich juristisch mit enttäuschten Eltern auseinandersetzen müssen. Weder Bund noch Land sind in der Haftung. Auf der untersten Ebene wird der Kampf um Betreuung geführt werden. Es wird auch in NRW Städte geben, die das Quotenrennen verlieren. Ein von Forschern vorgeschlagener Wert von 32 Prozent ist keine Garantie. Wenn mehr Bedarf wie in Köln vorhanden ist, hilft kein Pochen auf das Erreichen der Vorgabe. Das ist genauso theoretisch wie die Rechnung »Kind betreut, Eltern arbeiten, Familie zufrieden«. Solche Pauschalurteile sind Unsinn. Politiker beschwören gerne die Wahlfreiheit von Eltern - auch beim U3-Ausbau. Doch haben sie die Wahl? Nein! Der Rechtsanspruch sagt nichts darüber aus, in welche Einrichtung das Kind geht. Dabei sollte deren Konzept doch zu Eltern und Kind passen. Ebenfalls umstritten ist, ob sie die Wahl zwischen Kita und Tagesmutter haben. Viele Kommunen sagen nein, weil beides im Gesetz gleichrangig steht. Das Oberverwaltungsgericht Münster urteilte, Eltern müssten die Wahl haben. Auch hier holt die Praxis die Theorie ein. Mit solchen Problemen haben viele Bundesländer nicht gerechnet. Für sie zählte nur: Ausbaumarathon geschafft oder nicht? Alles andere ist offenbar egal. Wie praxisuntauglich politische Ansätze bei Kinderförderung oft sind, zeigt die Verwirrung um ein landesweites Anmeldeverfahren in NRW-Kitas. Erst wird eines angekündigt, dann zurückgezogen. Dabei wäre die Einführung eine der sinnvollsten familienpolitischen Maßnahmen aller Zeiten. Das Chaos bei der Vergabe ist für Eltern und Kommunen unerträglich. Mehrfachanmeldungen kosten unnötig Zeit. Das hier investierte Geld würde allen Eltern helfen - egal, ob sie ihr Kind unter drei oder über drei Jahren in eine Kita geben. An dieser Stelle wären Mittel besser aufgehoben als in Dutzenden Familienleistungen, die Wissenschaftler jüngst als unwirksam entlarvt haben.
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