Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu den Erwartungen an Schwarz-Rot
Bielefeld (ots)
Aller Augen schauen auf die Basis - der SPD. Aber auch die Unionsparteien haben eine Basis. Wenn diese auf den Koalitionsvertrag schaut, stellt sie fest: Für Familien gibt es mehr Schatten als Licht. Jedenfalls, wenn man sich an die Wahlversprechen erinnert. Da war die Rede von der Erhöhung der steuerlichen Freibeträge, auf die jeder Bürger ein Anrecht hat, wie das Bundesverfassungsgericht schon vor mehr als einem Jahrzehnt urteilte.
Die Politik will das bei Kindern nicht so sehen. Deshalb sagt der Sozialrichter Jürgen Borchert zu recht: »Der Staat macht bei Familien etwas, was er eigentlich nicht tun dürfte: Er besteuert deren Existenzminimum. Über das Kindergeld zahlt er dieses Diebesgut zurück - und besitzt gleichzeitig die Frechheit, dies als staatliche Wohltat darzustellen«. Die Erwartung vieler Sozialverbände, dass die Große Koalition Kindergeld oder Freibeträge oder besser noch beides erhöhen würde, war berechtigt. Im Koalitionsvertrag findet man nichts davon.
Man bedient sich weiter am Minimum der Familien. Die daraus resultierende Kinderarmut ist für die Koalitionäre kein Thema. Deutschland leidet unter einer doppelten Kinderarmut. Zum einen hat sich die Zahl der geborenen Kinder seit 1965 halbiert. In der gleichen Zeit ist die Zahl der Kinder, die in Armut, das heißt in Haushalten von Sozialhilfeempfängern leben, um das 16-fache gestiegen. Es besteht also Handlungsbedarf. Sonst werden die Geburtenzahlen weiter sinken. Niemand wird gern freiwillig arm.
Immerhin hat sich die Koalition auf die Mütterrente geeinigt. Auch hier besteht seit Jahrzehnten eine Gerechtigkeitslücke. Mit dem Beschluss, für vor 1992 geborene Kinder einen Rentenpunkt anzurechnen, ist diese Lücke verringert worden. Die Frage ist, wie das finanziert werden soll. Dazu schweigt der Koalitionsvertrag. Die Wirtschaftsverbände BDI und BDA, die traditionell nicht die Familien in den Mittelpunkt ihrer Politik stellen, sprechen von einem »Geschenk«. Sie haben die sozialen Fundamente unseres Gemeinwesens nicht begriffen. Das gilt auch für die Finanzierungsströme bei der Rentenversicherung. Die Erziehungsleistung für nach 1992 geborene Kinder wird seit 20 Jahren aus der Steuerkasse gezahlt. Da viele Mütter dieser Kinder erst in mehr als zehn Jahren in Rente gehen, erhält die Rentenkasse aus dem Staatssäckel viele Milliarden Euro, mit denen man die Mütterrente gut finanzieren könnte.
Erhalten blieb, dank der CSU, das Betreuungsgeld. Es ist ein kleiner Beitrag zur Anerkennung der Erziehungsleistung der Eltern. Deren Erziehungskompetenz müsste gesteigert werden, statt weiter wie wild in Planstellen und Bauten zu investieren, die demnächst wegen der demographischen Entwicklung leer stehen werden. Die zum Teil schwache Erziehungskompetenz hat auch mit dem staatlichen Raubbau an den Familien zu tun. Der wird durch diesen Koalitionsvertrag nicht nennenswert gebremst.
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