Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Griechenland-Debatte
Bielefeld (ots)
Was Gianis Varoufakis einst begonnen hatte, versuchte Gregor Gysi zu vollenden. Linke aller Länder, vereinigt Euch! »Herr Schäuble, es tut mir leid, aber Sie sind dabei, die europäische Idee zu zerstören«, polterte der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Plenum. Selten hat ein Oppositionsführer im Bundestag die Wahrheit so auf den Kopf gestellt. Und selten stand eine Frage so sehr im Raum wie diese: Warum tut Wolfgang Schäuble sich das eigentlich noch an? Nötig hätte es der 72-Jährige gewiss nicht mehr. Und verdient hat er es erst recht nicht. Im Gegenteil: Wolfgang Schäuble verdient Respekt! Respekt für die Art, wie er noch mit den absurdesten Vorwürfen und den abstrusesten Ideen umgegangen ist. Und dafür, dass er die Wahrheit nicht scheut - sei sie auch noch so unbequem. Sicher, Schäuble ist selbst kein Kind von Traurigkeit. Seine Ungeduld und sein Zynismus sind bekannt und gefürchtet. Doch die Dimension dieser Attacken dürfte auch ihn überrascht und tief getroffen haben. Allein die Hass-Propaganda im Vorfeld des griechischen Referendums, als die Athener Regierung Plakate mit Schäubles Konterfei und dem Satz »Seit fünf Jahren trinkt er Euer Blut« aufstellen ließ, war schier ungeheuerlich. Und dass sich die deutsche Politik nun auch noch die Scheindebatte vom »hässlichen Deutschen« aufnötigen lässt, der angeblich »Krieg führt, ohne einen Schuss abzugeben«, ist schlicht und einfach unerträglich. Nein, das war keine Sternstunde des Parlaments - das war ein Tiefpunkt. Wahr ist doch: Hätte Schäuble in Brüssel nicht so verhandelt, wie er verhandelt hat, wäre die Stimmung womöglich endgültig gekippt. Wer aber hätte Griechenland dann geholfen, wer hätte die Euro-Zone zusammengehalten? 60 Abgeordnete der CDU/CSU - deutlich mehr als beim Probedurchgang - haben am Freitag gegen die Aufnahme von Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket votiert. Ohne Schäubles Einsatz wäre die Zahl gewiss noch viel höher gewesen. Und wahr ist leider auch: Noch gibt es nicht die Spur eines Beweises dafür, dass in den nächsten drei Jahren besser klappt, was in den vergangenen fünf Jahren überhaupt nicht geklappt hat. Es ist eine ungeheure Anmaßung Europas, zu glauben, man könne Athen zu seinem Glück zwingen. Schäuble hat sich erlaubt, all diese Gedanken weiter zu denken und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. Daher rührte sein provozierender Plan eines »Grexit auf Zeit«. Und aus seiner tiefen Überzeugung, dass eine Gemeinschaft, die den Rechtsbruch zum Prinzip erhebt, keine glückliche Zukunft haben kann. Die Aufregung war groß - und sie ist es noch immer. Ähnlich groß wie im August 2013, als jemand mitten in der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes erklärte: »Griechenland braucht ein drittes Hilfspaket.« Wer das war? Wolfgang Schäuble. Vielleicht nicht das einzige Mal, dass der Mann seiner Zeit voraus war.
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