Westfalen-Blatt: zu Kauder/Brinkhaus
Bielefeld (ots)
Wie groß ist der Zusammenhalt in der Union? Hat die Bundeskanzlerin noch die Rückendeckung aus den eigenen Reihen? Und welche Rolle spielt der Fall Maaßen? Während die Verantwortlichen der Regierungsparteien damit beschäftigt sind, ihren angerichteten Scherbenhaufen beiseite zu schaffen, dürfen - oder besser gesagt: »müssen« die 246 Abgeordneten von CDU und CSU einen neuen Fraktionschef wählen. Eigentlich eine schöne, weil demokratische Angelegenheit. Schließlich standen in der Union selten zwei Kandidaten zur Wahl. Diesmal ist vieles anders. Erstens, weil die politische Lage durch den Fall Maaßen angespannt ist. Und zweitens, weil in der Union ohnehin gerade viel auf dem Spiel steht. Es ist nicht nur die Qual der Wahl für die Stimmberechtigten, sondern vielmehr eine Qual mit der Wahl. Warum? Nicht die Entscheidung zwischen zwei Bewerbern macht es so kompliziert, sondern die Tatsache, dass diese Wahl für die Union zu einer Unzeit kommt und möglicherweise nicht ohne Folgen für die Kanzlerin, die Union, und die Regierung bleiben könnte. Neubeginn oder weiter so? Merkel mit der Stimmabgabe schwächen oder sie stärken? Noch abwarten oder den Erneuerungsprozess der Union einleiten? Das sind die Fragen, die die Abgeordneten sich stellen. Für Brisanz sorgen auch die Kandidaten selbst. Entweder Volker Kauder (69), Merkel-Vertrauter seit 13 Jahren, oder Ralph Brinkhaus (50), der Herausforderer aus Ostwestfalen, ebenfalls »Merkelaner«. Heute werden wir nicht nur wissen, wer der neue starke Mann an Merkels Seite wird, sondern auch, wie gestärkt oder geschwächt die Kanzlerin aus dieser Wahl hervorgehen wird. Galt Volker Kauder lange Zeit auch wegen der Unterstützung Armin Laschets als der klare Gewinner, so scheint das Rennen wieder völlig offen zu sein. Von einer »knappen Kiste« ist die Rede bei einigen Unionsabgeordneten, die festgestellt haben wollen, dass Ralph Brinkhaus zuletzt an Sympathiewerten hinzugewonnen hat. Kauder genießt zwar die Unterstützung von Merkel, Seehofer und Dobrindt, aber viele in der Union sehen den Vertrauten der Kanzlerin stark geschwächt. Er habe »den Laden« nicht im Griff und könne der Partei kein Selbstbewusstsein mehr geben, heißt es. 55 zu 45 oder 60 zu 40 Prozent - in der Union wird dennoch mit einem knappen Sieg Kauders gerechnet. Für Merkel wäre das ein Denkzettel. Denn ein Machtverlust Kauders würde sie weiter schwächen. Und der Fall Maaßen? Gut möglich, dass die Union Zusammenhalt beweisen will und somit Volker Kauder den Rücken stärkt. Viele Abgeordnete sind aber nach dem Fall Maaßen derart verärgert, dass nichts auszuschließen ist. Falls Ralph Brinkhaus das Wunder schaffen sollte, folgt das nächste Gewitter in Berlin.
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