Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu SPD
Müntefering
Bielefeld (ots)
Nun gut, in diesen Tagen und Wochen hat namentlich die SPD mächtig zu knacken, sprich: mit sich selbst zu tun. Das muss zwar nicht von unabsehbar langer Dauer sein, aber eine durchgreifende Klimaerwärmung, ob innerparteilich oder in der Publikumswahrnehmung von außen her, zeichnet sich für die Sozialdemokratie derzeit (noch) nicht ab. Gerade an diesem neuralgischen Punkt ist und bleibt die Politik in vielem ein unkalkulierbares Geschäft. Welche unverhoffte und gar gänzlich überraschende (Wetter-)Wendung sie morgen oder übermorgen nehmen wird, das können weder Kaffeesatzleser noch Meteorologen noch Wetterfrösche auf der Leiter vorhersagen. Wenn Meinungsumfragewerte auf Kellertiefe absacken, werden Regierende und Mitregierende unruhig, man »kabbelt« sich, sucht aufgeregt nach einem Frust-Ventil - und benutzt plötzlich sogar den Koalitionspartner als willkommenen Blitzableiter. Nicht zuletzt um dem eigenen Parteivolk, das hörbar zu murren beginnt, Futter zu geben. Diese Dramaturgie ist normal. Von oben steuern wie auf dem Theater lässt sie sich freilich nur bedingt. Den Verdruss darüber teilt der SPD-Vizekanzler Franz Müntefering gegenwärtig natürlich verschärft mit den Seinen im Kabinett der selbstbewussten CDU-Kanzlerin Angela Merkel. Mindestens ebenso aber auch mit Kurt Beck, dem Eigenprofil-Sucher an der SPD-Spitze. Doch es ist mit Sicherheit zu früh, über einen Bruch der schwarz-roten großen Koalitionsehe zu fabulieren, so sehr sich Müntefering und Beck (zu Recht) auch sorgen, weil Ex-SPD-Vormann Oskar Lafontaine im Tandem mit Gregor Gysi das Konkurrenzgefüge zu Ungunsten der SPD verrücken könnte - zum Nutzen der »Linkspartei« alias PDSED/Ost alias WASG/West. Verständlich ist bei alledem, dass die CDU-Chefin im Kanzleramt der SPD-Führungsriege Unbehagen und bisweilen sogar auch Bauchgrimmen verursacht. Dem gibt Müntefering Ausdruck, indem er Zweifel äußert, ob »man« sich denn wohl noch »auf alle Beteiligten in dieser Koalition verlassen« könne. Und hintersinnig fügt er hinzu, dass Merkel-Vorgänger Gerhard Schröder - »aus guten Gründen«, versteht sich - »immer zuerst Kanzler« gewesen sei und »stets das Ganze im Blick gehabt« habe. Aber selbst in dieser spitzen Bemerkung Münteferings schwingt durchaus Wirklichkeitssinn mit - und der Wille, das Bündnis fortzuführen. Denn des Vizekanzlers Mahnwort »Das muss besser werden« beinhaltet offenbar die Erwartung und die Zuversicht, dass es wieder besser werden kann, wenn beide Seiten und vor allem die schlingernde SPD es nur richtig anpacken. Aus dem Afghanistan-Dilemma würden große Teile der SPD lieber heute als morgen aussteigen. Die Selbstquälerei um die Erbschaftssteuer ist noch in frischer Erinnerung. Jetzt möchte die SPD-Linke das Problem-Bündel »Rente mit 67« neu schnüren. Man sieht, wo die Hauptunruheherde im Berliner Machtzentrum zu finden sind.
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