BDZV - Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger e.V.
Zeitungsverleger fordern Bundesregierung und EU-Kommission zur Zurückhaltung auf
Berlin (ots)
Massive Kritik an Plänen für Urhebervertragsgesetz und europaweite Werbeverbote / wirtschaftliche Lage: Rückkehr zur Normalität im Westen - Entwicklung in Ostdeutschland nach wie vor unerfreulich
Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) hat heute in Berlin die Bundesregierung und die EU-Kommission aufgefordert, die Rahmenbedingungen für die Presse nicht weiter einzuschränken und wieder zu einem Kurs der Vernunft zurückzukehren. Nach dem fatalen 630-Mark-Gesetz, von dem sich die Zeitungsbranche bis heute nicht erholt habe, versuche die Bundesregierung jetzt unter Federführung von Justizministerin Hertha Däubler-Gmelin ein Urhebervertragsgesetz im Hauruck-Verfahren durchzusetzen, das Rechtsgüter wie "Vertragsfreiheit" und "Privatautonomie" vollkommen aushöhle, sagte Hauptgeschäftsführer Volker Schulze bei der Jahrespressekonferenz des Verlegerverbands. Der EU-Kommission warf Schulze vor, mit ihren neuen Plänen für europaweite Werbeverbote die Kommunikationsfreiheit in Frage zu stellen. "Wer Werbung für legal hergestellte Produkte verbietet, übt Zensur, entmündigt den Bürger, entzieht den Medien ihre wirtschaftliche Grundlage und vernichtet europaweit Hunderttausende von Arbeitsplätzen", so Schulze. Zur wirtschaftlichen Lage führte der BDZV-Hauptgeschäftsführer aus, dass nach dem "Boom-Jahr 2000" auch in der Zeitungsbranche in Westdeutschland eine "Rückkehr zur Normalität" stattfinde. Die wirtschaftliche Lage bei der Mehrzahl der Zeitungsverlage In Ostdeutschland sei nach wie vor schwierig.
Zur Novellierung des Urhebervertragsrechts
Schulze machte deutlich, dass die Bundesregierung mit dem Entwurf für ein neues Urhebervertragsgesetz die Vorlage "zu einer geistigen Verarmung der Medien- und Kulturszene in Deutschland geschaffen" habe. Falls der Entwurf Gesetz würde, wäre vorauszusehen, dass die Zeitungen ebenso wie andere Medienunternehmen und Kulturinstitutionen sehr genau überlegen müssten, ob sie überhaupt noch Beiträge von freien Autoren übernehmen könnten. Der Gesetzentwurf will die "angemessene Vergütung" für jede Nutzung eines Werks einer gerichtlichen Kontrolle unterstellen. Das bedeutet: Jeder Autor, der mit seinem Vertrag nicht mehr zufrieden sei, könne diesen später mit Hilfe der Gerichte nachbessern lassen. Sogar für jahrelang zurückliegende Verträge könnte der Autor noch Nachforderungen stellen. Dabei sei nicht etwa Voraussetzung für eine Kontrolle, dass das vertragliche Honorar unangemessen war. Mit dieser Rechtsunsicherheit und diesen unkalkulierbaren Risiken könnten Medienunternehmen und Kultureinrichtungen aller Art nicht arbeiten. Der Gesetzentwurf sieht gemeinsame Vergütungsregeln vor, die die Medien mit Verbänden der Urheber vereinbaren sollen - eine aus Sicht des BDZV "ebenso komplizierte wie praxisferne Regelung". Denn bei Autoren und Künstlern gelte es nicht, Akkordlöhne für eine bestimmte Stückzahl gleicher Produkte festzulegen. Die Qualität und damit die Angemessenheit des Preises lasse sich nicht allgemein gültig nach der Anzahl von Zeilen oder Sendeminuten bemessen. Der Gesetzentwurf presse die Medienwirtschaft in ein zu enges Korsett. Schulze unterstrich, dass auch den Medien an einer leistungsgerechten Vergütung der Autoren gelegen sei. Dies hätten die Verlegerverbände, die Organisationen des privaten Rundfunks sowie ARD und ZDF in einem gemeinsamen Vorschlag zum Urhebervertragsrecht konstruktiv belegt. Es sei auch völlig unverständlich, dass dieses Konzept in dem Gesetzentwurf keinerlei Niederschlag gefunden habe. Die Vorschläge sehen im Einzelnen vor:
1. Urheber sollen selbstverständlich für die Nutzung ihrer Werke eine angemessene Vergütung erhalten. Stehen Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis, soll das aus Sicht der Medienwirtschaft zu einer Korrektur zu Gunsten des Urhebers führen. Der redliche Werknutzer hat so Rechts- und Kalkulationssicherheit. Der unredliche Nutzer kann vom Urheber nachträglich in Anspruch genommen werden.
2. Verbände von Urhebern und Nutzern sollen für ihre jeweilige Branche die Möglichkeit erhalten, gemeinsame Verbandsempfehlungen zu vertraglichen Bedingungen und Vergütungen aussprechen zu können, die jedoch nicht normativ wirken und damit nicht zwingend sind. Dies bedarf freilich einer kartellrechtlichen Freistellung. Die Vorschrift orientiert sich an den Mittelstandsempfehlungen des Kartellrechts.
EU-Pläne für europaweite Werbeverbote
"Ideologische Verblendung" warf Schulze der EU-Kommission bei ihrem neuerlichen Anlauf vor, ein totales Tabakwerbeverbot in Europa durchzusetzen. Obgleich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs der Europäischen Union eine Werbe-Regelungskompetenz im Bereich der Gesundheitsvorsorge nicht zustehe, sei EU-Kommissar David Byrne mit einem neuen Vorschlag für ein Tabakwerbeverbot vorgeprescht. Werbeverbote für Alkoholprodukte und Kraftfahrzeuge seien in Vorbereitung. Die Begründung, dass EU-weite Werbeverbote aufgrund möglicher Störungen des Binnenmarktes wegen unterschiedlicher Regelungen in den Mitgliedstaaten nötig seien, nannte Schulze "fadenscheinig und vorgeschoben". Bei den Zeitungen führten nationale Werbeverbote im Binnenmarkt zu keinerlei Wettbewerbsverzerrungen. Schulze erinnerte daran, dass die Europäische Kommission für Menschenrechte die Werbefreiheit unter den Schutz von Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention gestellt habe. Die Zeitungsverleger setzten - so Schulze - auch weiterhin darauf, dass die Bundesregierung in der Diskussion um Werbeverbote bei ihrer bisherigen konsequent ablehnenden Haltung bleibe. Bekanntlich hatte die Bundesregierung gegen den ersten Versuch der EU-Kommission, ein Tabakwerbeverbot durchzusetzen, Klage beim Europäischen Gerichtshof eingereicht und Recht erhalten.
Wirtschaftliche Lage der Zeitungen
Zur wirtschaftlichen Lage der Zeitungen führte der BDZV-Hauptgeschäftsführer aus, dass nach dem "Boom-Jahr 2000" auch beim Werbeträger Zeitung - wie in der gesamten Medienwirtschaft - wieder Ernüchterung eingekehrt sei und eine "Rückkehr zur Normalität" stattfinde. Im vergangenen Jahr hätten die Zeitungen - vor allem in Westdeutschland - von dem Boom in der New Economy, den Börsengängen von Start-Up-Unternehmen, der allgemeinen Börsenkonjunktur, der Ankündigung beziehungsweise Abwehr von Firmenfusionen sowie dem starken Wettbewerb im Bereich der Telekommunikation und Stromwirtschaft profitiert und ihren Anteil am Gesamtwerbeaufkommen erstmals seit vielen Jahren sogar wieder steigern können. Mit einem Anteil von 28 Prozent am Werbekuchen war die Zeitung im vergangenen Jahr wieder der mit Abstand größte Werbeträger. Allerdings seien im ersten Quartal 2001 die Umfänge der Anzeigen (Anzeigenmenge) um sechs Prozent (gegenüber dem ersten Quartal 2000) zurückgegangen. Nach wie vor wenig erfreulich sei die Situation bei den meisten Zeitungen in Ostdeutschland. Vornehmlich in den nördlichen und östlichen Landesteilen spiegele sich die schwache wirtschaftliche Lage im Osten im Anzeigengeschäft der Zeitungen wie auch in der Auflagenentwicklung wider. Allein im ersten Quartal 2001 verloren die Zeitungen gegenüber demselben Zeitraum im Vorjahr 13,1 Prozent an Anzeigenumfang. Auch im Lesermarkt sei das Gefälle zwischen Ost und West noch größer geworden. Während im Westen die Tageszeitungsauflage auf sehr hohem Niveau recht stabil sei (-0,1 Prozent) seien bei den ostdeutschen Zeitungen die Auflagen im ersten Quartal 2001 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als drei Prozent abgesunken. Mit einem Umsatz von durchschnittlich 34 Mark pro Monatsstück erwirtschafteten die Verlage im Osten knapp 50 Prozent westdeutscher Zeitungsunternehmen.
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