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BR-POLIZEIRUF 110 "Jenseits, So., 4.11.2007, 20.15 Uhr, im Ersten: Edgar Selge & Michaela May im Themenkreis Abschied, Trauer, Schuld

München (ots)

Mit einem außergewöhnlichen Krimi wartet das Erste
am ersten Novembersonntag (am 4. November 2007) auf: In "Jenseits" 
(Buch: Markus Thebe, Drehbuchbearbeitung: Boris Gullotta, Regie: Eoin
Moore) wird der achtjährige Tim Hausner (Paul Zerbst) überfahren. 
Alles schaut zunächst nach einem Unfall aus. Doch wenig später 
beschäftigt die Kommissare Jürgen Tauber (Edgar Selge) und Jo 
Obermaier (Michaela May) die Frage: Wie starb der Bub wirklich? Denn 
die Spurensicherung vermutet, dass das Kind bereits vor dem Aufprall 
ums Leben gekommen ist.
Jo berührt der Fall schon deshalb, weil der tote Junge im Alter 
ihres eigenen Sohnes Kevin (Leon Bichbihler) ist. Der aufgeweckte 
Filius kann die plötzlich aufkommende und übertriebene Fürsorge 
seiner Mutter überhaupt nicht verstehen und reagiert genervt.
Tauber dagegen fühlt sich im Umgang mit der trauernden Mutter Nina
Hausner(Ulrike Krumbiegel) völlig überfordert.
Nina Hausner wiederum ist fassungslos, weil sie ihr totes Kind 
nicht sehen, geschweige denn von ihm Abschied nehmen darf. 
Schließlich sorgt sie für eine Überraschung.
WEITERE DARSTELLER, IHRE ROLLEN UND DIE KAMERA
Johanna Bittenbinder (kürzlich brillant als Metzgerin Gerti im 
BR-TATORT "Der Traum von der Au")ist Sabine Bauer, die den kleinen 
Jungen versehentlich überfährt, Christian Lerch der gebeutelte 
Polizeiobermeister Brandstetter.
Daniel Friedrich ("Aus heiterem Himmel") gibt den Professor und 
Gebieter der Pathologie, der sich mit seinem Untertan, Dr. Holm, 
zofft (gespielt von Stefan Merki) und damit bei den Studentinnen - 
vor allem bei Ramona Holz (Tabea Bettin) - punkten will.
Münchens Kammerspielstar Katharina Schubert bringt als Zerberus, 
sprich als penibel-genaue Pförtnerin der Rechtsmedizin, nicht nur 
Kommissar Tauber an den Rand des Wahnsinns.
Tayfun Bademsoy spielt Jo Obermaiers Ehemann und Natalie Spinell 
Jo's wie gewohnt aufmüpfige Tochter Christine.
Kameramann Bernd Löhr hat "Jenseits" in ungewöhnlich 
stimmungsvoll-mildes Herbstlicht gehüllt.
DER HINTERGRUND ZUM FILM
Zu diesem Fall hat Theologe Dr. Anton Magnus Dorn für das 
Presseheft ein Essay verfasst, das lesenswert ist. Titel: "Jenseits -
und das Wesen von Schuld". Er schreibt:
Wer den POLIZEIRUF 110 "Jenseits" bewusst mitverfolgt hat, wird 
sich fragen, warum ihn der Film weiterhin beschäftigt. Die 
Anteilnahme an dem Fall und an den Ermittlungen reicht da nicht aus. 
Es sind auch nicht irgendwelche ungelöste Fragen, logisch sind keine 
Fehler erkennbar, auch psycho-logisch ist am Ende alles plausibel 
erklärt, selbst dass die Kommissare Tauber und Obermaier bei diesem 
Polizeiruf mehr als üblicherweise emotional berührt sind.
Licht ins Dunkel des Tathergangs zu bringen, Hinweisen 
nachzugehen, Motive zu erforschen, das gehört für die beiden Profis 
zum Alltagsgeschäft. Es führt zu gesteigerter Aufmerksamkeit bei der 
Spurensuche, und daraus resultiert auch der Reiz für die Zuschauer am
Bildschirm.
WARUM DER KOMMISSAR UNGESETZLICH HANDELN DARF
Allein die menschliche Seite dieses Falles erklärt noch nicht 
alles. Denn einer Mutter die Nachricht vom Tod ihres Sohnes zu 
überbringen, gehört für Polizeibeamte mitunter zu einer äußerst 
heiklen Pflicht, die sich selbst bei Wiederholung nie routinemäßig 
bewältigen lässt. Das erklärt Taubers ungesetzlicher nächtlicher 
Besuch bei der Mutter. Auch die Übertragung der Sorge um den 
gleichaltrigen Sohn von Obermaier auf ihre Familie und die 
Übernachtung im Baumhaus ist noch verständlich.
Die Nachdenklichkeit bei diesem Film resultiert auch nicht aus der
außergewöhnlichen Tat, den einzelnen Vorgängen, nicht erklärbaren 
Zufällen etc. Was geschildert wird, Spurensicherung am Tatort, Suche 
nach Gegenständen, Vernehmungen von Zeugen in der Wohnung und auf dem
Polizeirevier, Vorgänge bei gerichtsmedizinischen Untersuchungen, all
das kennen wir auch bei anderen Krimis in jeweils neuer Variation.
Es ist hier nicht beabsichtigt, das überragende Spiel der 
Protagonisten zu würdigen oder die außergewöhnlichen Leistungen des 
Kameramanns. Die äußere Dramaturgie stimmt einfach, sei sie durch das
Drehbuch vorgegeben oder durch subtiles Einfühlungsvermögen in der 
Regie bewirkt.
DER FILM ALS PARADIGMA FÜR DIE DARSTELLUNG DES WESENS VON SCHULD
Unser Focus richtet sich auf die Stimmigkeit mit dem Innenleben 
der Protagonisten, sozusagen der inneren Dramaturgie - hier in der 
Darstellung eines Grundphänomens menschlichen Lebens, nämlich der 
Schuld und ihren Auswirkungen. In dieser Hinsicht kann der Film als 
Paradigma für die Darstellung des Wesens von Schuld gedeutet werden. 
Wer wurde hier zuerst und wer wurde hier nicht schuldig: die 
Autorfahrerin, der Vater, sein Bruder, die Mutter, der Mitschüler, 
auch das Kind? Alle sind in den Zusammenhang verstrickt. Schuld 
entsteht, breitet sich aus. Alle sind oder werden schuldig, ihr kann 
sich niemand entziehen.
In der Literatur und der Philosophie gibt es unzählige Versuche 
sie zu deuten: Schuld als Verhängnis (Homer), Schuld als Wahl 
(Platon), Schuld als Willensentscheid (Aristoteles), bis hin zu 
schuldhafter Schuldlosigkeit (Dürrenmatt) usw. Es gibt sie in immer 
neueren Varianten von Schuld als Unschuld, Mitschuld, Erbschuld, 
Kollektivschuld, strukturelle Schuld, usw.
ENTSTEHUNG VON NEUER SCHULD, OBWOHL SIE NIEMAND WILL
Für die Theologie sind wir ohnehin "alle Sünder". Damit ist die 
religiöse Dimension von Schuld, die Beziehung zu Gott angesprochen. 
Meistens äußert sie sich indirekt, insofern von ihm Hilfe und Trost 
erwartet wird. In dem Film besucht die Mutter eine Kirche und zündet 
eine Kerze an. Ihr Blick fällt nicht zufällig auf ein Bild von Maria 
mit dem toten Jesus im Arm. Befreiung von den beklemmenden 
Schuldgefühlen wird oftmals vom Konsum von Alkohol erwartet, der auch
in dem Film keine unerhebliche Rolle spielt.
Nicht jede Schuld ist strafbar. Welche strafbar ist, wird in den 
Gesetzen festgelegt, und darin zeigt sich mitunter ein nicht zu 
unterschätzender Wandel. Mord, Totschlag, fahrlässige Tötung sind 
immer strafbar, sie werden von Amtswegen verfolgt. Die bloße 
Wahrnehmung ihrer Dienstpflichten durch die Kommissare oder die 
Vorschriften für die Anatomie führen im gezeigten Alltag zu 
Komplikationen (im Film: das Entwenden des Leichenautos) und damit 
zur Entstehung von neuer Schuld, obwohl sie niemand will und die 
dennoch entsteht.
Es ist doch "normal", dass sich eine Mutter von ihrem toten Sohn 
verabschieden, ihn noch einmal in ihren Armen halten will, dass auch 
der Vater mit seinem Kind einmal zusammen sein will, dass Brüder 
einander helfen.
In all den ganz normalen Lebensvollzügen verbirgt sich eine 
Grenze. Wer diese nicht beachtet, sei es absichtlich, ungewollt, 
versehentlich oder wie auch immer, macht sich schuldig, wird 
schuldig. Darin besteht das letztlich nie mit Worten ganz zu 
erfassende Phänomen der Schuld. Den Zusammenhang aufzulösen, 
Vergebung zu erlangen, darum kann der schuldig Gewordene nur bitten, 
aber er kann sie nicht selbst bewirken. Genauso wenig kann niemand 
nicht schuldig werden. Äußere Umstände zwingen die Mutter, jenseits 
ihres Sohnes zu reagieren. Der Titel "Jenseits" kann aber auch 
verstanden werden als jenseits der eigenen Möglichkeiten und damit 
als ein Hinweis auf die Tiefendimension dieses Films.
ANMERKUNGEN ZU ANTON MAGNUS DORN
Dr. theol. Anton Magnus Dorn (67) schrieb als Publizist u.a. das 
Buch "Schuld - was ist das?" sowie für die im List-Verlag erschienene
Lehrbuchreihe von Walther von La Roche das "Redaktionshandbuch 
Katholische Kirche". Hauptberuflich arbeitete der gebürtige Kemptener
27 Jahre lang in leitender Stellung in der Journalistenaus- und 
-fortbildung des ifp, des Instituts zur Förderung publizistischen 
Nachwuchses in München e.V.
Zu den Absolventen der bundesweit renommierten katholischen 
Medienakademie zählen u.a. Thomas Gottschalk, Heribert Prantl (SZ) 
und weitere Prominente aus der Medienszene (siehe dazu auch 
www.kath.de/ifp).
Dr. Dorn leitete zudem das institutseigene Hörfunk- und 
Fernsehstudio Ludwigshafen. Seit 2002 ist er stv. Vorsitzender und 
Geschäftsführer von TOP:Talente e.V., dem Förderverein für Autoren 
und Producer, im Internet zu finden unter: www.toptalente.org.
Dr. Dorn ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern, 
darunter dem in der Musikszene bekannten Pianisten Marcel Dorn.
ALLES ÜBER DEN POLIZEIRUF 110 IM INTERNET des BR
Ausführliche Inhaltsangaben zum POLIZEIRUF 110: "Jenseits" (eine 
Produktion der d.i.e.film.gmbh, München, im Auftrag des Bayerischen 
Rundfunks, Redaktion: Dr. Cornelia Ackers) sowie Biografien zu den 
Schauspielern, zu Autor Markus Thebe und Regisseur Eoin Moore ist im 
es im Internet nachzulesen unter www.br-online.de/pressestelle (in 
der Sparte "Spezial").

Pressekontakt:

BR Bayerischer Rundfunk
Pressestelle, Josy Henkel
Telefon: 089 / 5900 2108

Original content of: BR Bayerischer Rundfunk, transmitted by news aktuell

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