Kritik an Schäubles Erbschafssteuerreform
"Report Mainz", heute, 14. Juli 2015, um 21.45 Uhr im Ersten
Mainz (ots)
Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier rechnet damit, dass die vom Bundeskabinett vergangene Woche beschlossene Erbschaftssteuerreform erneut vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden wird. Gegenüber dem ARD-Politikmagazin "Report Mainz" kritisiert er die Gestaltungsmöglichkeiten, die das Gesetz bietet. Wörtlich bezeichnet Papier den Gesetzentwurf als "gesetzestechnisches und bürokratisches Monstrum".
Hintergrund der Kritik ist vor allem die Einbeziehung von Privatvermögen bei Firmenerben. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass ab einer Vererbungsgrenze von 52 Millionen Euro bei Erben typischer Familienunternehmen mit einer sogenannten Bedürfnisprüfung kontrolliert wird, ob sie mit der Hälfte ihres Privatvermögens die Erbschaftssteuer begleichen können.
Wolfgang Wiegard, Wirtschaftswissenschaftler und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums, kritisiert diese Regelung gegenüber "Report Mainz": "Wenn sie es einigermaßen geschickt anstellen, kann es im Extremen gelingen, das steht sogar im Entwurf so explizit drinnen, dass überhaupt keine Erbschaftssteuerlast anfällt. Das ist pervers." Er warnt davor, dass sich Firmenerben "arm rechnen", indem sie Privatvermögen auf Familienangehörige übertragen und so der Besteuerung entgehen.
Diese Gestaltungstricks kritisiert auch Werner Bahlsen, geschäftsführender Gesellschafter von Bahlsen GmbH & Co. KG: "Die Einbeziehung des Privatvermögens, die ich für nicht verfassungskonform halte, bietet unglaubliche Möglichkeiten der Gestaltung und wenn sie wollen auch der Manipulation. Und wir sollten vom Staat erwarten, dass er klare Regeln macht, die natürlich irgendwie gerecht sind." Auf Anfrage von "Report Mainz" bestreitet das Finanzministerium solche Gestaltungsmöglichkeiten. Es seien derzeit keine Gestaltungsmöglichkeiten bekannt, welche dem Sinn und Zweck der Regelungen im Regierungsentwurf entgegenstehen.
Unternehmerverbände kritisieren seit Monaten die geplante Reform der Erbschaftssteuer und warnen vor Arbeitsplatzverlusten. In "Report Mainz" warnen Verbandsvertreter vor einer "Bedrohung des deutschen Mittelstands" und einer "Verkaufswelle" von Unternehmen. Eine Auswertung des statistischen Bundesamts im Auftrag von "Report Mainz" hat dagegen ergeben, dass in den vergangenen Jahren deutlich weniger als ein Prozent der vererbten Betriebsvermögen den für typische Familienunternehmen gültigen Grenzwert von 52 Millionen Euro überhaupt erreicht haben. Im Jahr 2010 waren es beispielsweise nur 0,1 Prozent (zwölf Fälle), 2013 nur 0,5 Prozent (63 Fälle). Johanna Hey, Professorin für Steuerrecht an der Universität Köln, bestätigt: "Es wird eine verschwindend geringe Anzahl betreffen. Das heißt, dass man eigentlich sagen kann, Unternehmen bleiben nach wie vor mehr oder weniger komplett verschont."
Weitere Informationen unter www.reportmainz.de. Zitate gegen Quellenangabe "Report Mainz" frei. Pressekontakt: "Report Mainz", Tel. 06131/929-33351.
Original content of: SWR - Das Erste, transmitted by news aktuell