Trotz guter Alternativen setzen deutsche Unternehmen zur Konfliktbewältigung noch immer vorrangig auf Gerichtsverfahren
Frankfurt am Main (ots)
Studie von PwC in Kooperation mit der Europa-Universität Viadrina bescheinigt außergerichtlichen Verfahren wie Mediation oder Schlichtung künftig bessere Chancen bei der Konfliktbewältigung
Deutsche Unternehmen regeln Konflikte mit Geschäftspartnern zumeist noch immer auf althergebrachte Weise - durch Verhandlungen oder vor Gericht. Das Interesse an der außergerichtlichen Beilegung von Konflikten ist in Deutschland jedoch stark gestiegen und folgt damit entsprechenden Trends, die vor allem in den USA und Großbritannien beobachtet werden. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie Commercial Dispute Resolution - Konfliktbearbeitungsverfahren im Vergleich von PricewaterhouseCoopers (PwC) in Zusammenarbeit mit der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), die die Praktiken und Präferenzen von deutschen Firmen bei der Bearbeitung von Konflikten mit anderen Unternehmen untersucht - und auf dieser Basis Veränderungsbedarf sowie zukünftige Entwicklungstrends aufzeigt. An der Umfrage beteiligten sich 158 deutsche Unternehmen unterschiedlicher Größe aus verschiedenen Wirtschaftszweigen.
Außergerichtliche Verfahren mit Drittbeteiligung führen noch ein "Aschenputteldasein"
Die Befragten beurteilen alternative Verfahren der Konfliktbearbeitung zwar deutlich positiver als Gerichtsverfahren. In aller Regel wird zunächst auch der Versuch unternommen, einen Konflikt auf dem Verhandlungsweg beizulegen. Scheitern diese Verhandlungen, erfolgt jedoch zumeist direkt der Gang zum Gericht.
Dies steht in offenkundigem Widerspruch dazu, dass das Gerichtsverfahren von rund 80 Prozent der Befragten als "sehr wenig vorteilhaft" eingestuft wird. Bei der Bewertung der spezifischen Vor- und Nachteile der einzelnen Verfahren liegen die Alternativen Mediation und Schlichtung mit Abstand vor dem Gericht. "Dies dürfte unter anderem an der Möglichkeit der Mitgestaltung von Verfahren und Ergebnis durch die Konfliktparteien liegen", erklärt Claudia Nestler, Partnerin im Bereich Dispute Analysis & Investigations (Forensic Services) von PwC. Die Studie zeigt, dass immerhin 83 Prozent der Unternehmen bereits praktische Erfahrungen mit außergerichtlichen Verfahren mit Drittbeteiligung wie Schiedsgerichtsverfahren, Schiedsgutachten, Mediation und Schlichtung gesammelt haben. Allerdings kommen diese Verfahren vergleichsweise noch selten zum Einsatz.
Laut Studie ist die Diskrepanz zwischen Bewertung und tatsächlicher Nutzung der verschiedenen Möglichkeiten der Konfliktbeilegung vorrangig durch folgende Überlegungen zu erklären. Zum einen hat die relative Unzufriedenheit mit dem Gerichtsverfahren offensichtlich noch kein so großes Ausmaß angenommen, dass es zu deutlichen Verhaltensänderungen im Sinne einer generellen Abwendung vom Gerichtsverfahren kommt. Dies hängt sicher auch mit der grundsätzlich hohen Qualität und Zuverlässigkeit des deutschen Gerichtssystems zusammen. Professor Stephan Breidenbach, Europa-Universität Viadrina, sieht einen weiteren Grund in der verbreiteten Neigung zur Aufrechterhaltung etablierter Verhaltensweisen: "Wegen der mangelnden praktischen Erfahrung mit außergerichtlichen Verfahren und der gleichzeitigen Vertrautheit des staatlichen Gerichtsverfahrens wird eine interessengerechte Umorientierung in der Verfahrensnutzung deutscher Unternehmen wohl eher langsam verlaufen."
Dabei zeichnet sich schon jetzt ab, dass die systematische Steuerung von Konfliktbearbeitungsprozessen mit steigender Unternehmensgröße zunimmt. Je größer das Unternehmen, desto höher ist auch die Bereitschaft, außergerichtliche Verfahren mit Drittbeteiligung einzusetzen. Professor Breidenbach führt dies unter anderem darauf zurück, dass mit steigender Unternehmensgröße durch die Arbeitsteilung auch der Grad der Spezialisierung und Systematisierung in der Konfliktbearbeitung zunimmt. Dies ermögliche wiederum eine stärkere und effizientere Nutzung der gesamten Palette von Möglichkeiten zur Lösung von Konflikten.
Hybride Verfahren haben künftig besonders gute Einsatzchancen
PwC-Expertin Nestler rechnet damit, dass die bereits erkannten Vorteile der außergerichtlichen Verfahren in Zukunft auch tatsächlich stärker genutzt werden. Besonders gute Chancen räumt sie dabei Verfahren oder Verfahrenskombinationen (so genannten "hybriden Verfahren") ein, die den Konfliktparteien eine umfassende Handlungsautonomie gewähren - und zusätzlich die Vorteile der Unterstützung durch neutrale Dritte bieten.
Die Studie Commercial Dispute Resolution - Konfliktbearbeitungsverfahren im Vergleich von PwC in Kooperation mit der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) finden Sie online unter: www.pwc.com/de/dai
Für die Redaktion:
PricewaterhouseCoopers (PwC) ist in Deutschland mit rund 8.200 Mitarbeitern und einem Umsatzvolumen von rund einer Milliarde Euro eine der führenden Prüfungs- und Beratungsgesellschaften. An 28 Standorten arbeiten Experten für nationale und internationale Mandanten jeder Größe in den Bereichen Assurance (Wirtschaftsprüfung und prüfungsnahe Dienstleistungen), Tax (Steuerberatung) und Advisory (Transaktions-, Prozess- und Krisenberatung). Der Advisory Fachbereich Dispute Analysis & Investigation (Forensic Services) umfasst neben der Aufklärung wirtschaftskrimineller Sachverhalte die Beratung und Gutachtertätigkeit bei gerichtlichen und außergerichtlichen Auseinandersetzungen. Durch eine hohe Branchenkompetenz und starke regionale Präsenz deckt PwC die Bedürfnisse der Mandanten aus Industrie, Dienstleistung und öffentlicher Hand optimal ab.
Das Forum für Verhandlung und Mediation wurde 1996 als eine Plattform für Praxis, Forschung und Lehre im Bereich Außergerichtliche Konfliktbearbeitung an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) gegründet. Die Mitglieder des Forums beteiligen sich auf der Basis ihres akademischen Hintergrundes, ihrer beruflichen Stellung und ihrer praktischen Erfahrung an Forschung und Lehre, entwickeln und betreuen Projekte und führen Trainings, Verhandlungen und Mediationen durch. Seit 1996 hat das Forum für Verhandlung und Mediation unter der Leitung von Prof. Dr. Breidenbach, Ulla Gläßer und Lars Kirchhoff wegweisende Kongresse im Bereich Mediation veranstaltet, Gesetzesinitiativen entwickelt und - in Kooperation mit dem Institut für Anwaltsrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin - einen postgradualen, interdisziplinären Master-Studiengang Mediation aufgebaut. www.forum-verhandlung-mediation.de
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