AOK: Viele gute Ansätze im Gesetz für mehr Arzneimittelsicherheit
Berlin (ots)
Haftung der Wirkstoffhersteller und Regelung von Schadenersatzansprüchen sollten jedoch ausgebaut werden
Verunreinigte Wirkstoffe, gepanschte Krebsmedikamente, Arzneimittel mit unklarer Herkunft - die Häufung der Skandale hat das Vertrauen in die Arzneimittelversorgung beschädigt. Mit dem geplanten Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) sollen die vorhandenen Lücken geschlossen werden. "Das Gesetz ist der absolut richtige Schritt und enthält viele gute Regelungen, um die Sicherheit von Arzneimitteln zu verbessern," findet Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes. Beispielsweise, indem es die Koordinationsfunktion und Rückrufkompetenzen der Bundesbehörden sowie die Überwachung und Kontrollen durch die Landesbehörden stärke und erstmals auch Schadenersatzansprüche bei Rückrufen regele.
Insbesondere im Bereich der Krebsarzneimittel gingen manche der Regelungen jedoch noch nicht weit genug. Litsch: "Vor allem bei Krebsmedikamenten können Überwachungslücken verheerende Auswirkungen haben. Deswegen muss es in diesem Bereich unangemeldete Prüfungen geben, bei denen Arzneimittelproben untersucht werden." Eine längst überfällige Maßnahme sei es außerdem, das nur noch zertifizierte Software in der Apotheke und in Herstellerbetrieben zum Einsatz kommt, bei der Warenein und -ausgang nicht willkürlich manipuliert werden können.
Positiv hingegen sei, dass sich bei der Nutzenbewertung der oft beschleunigt oder unter besonderen Umständen zugelassenen Arzneimittel für seltene Erkrankungen etwas bewege. "Der Gemeinsame Bundesausschuss erhält weiterführende Möglichkeiten, anwendungsbegleitende Daten einzufordern und die Erstattung durch die Krankenkassen auf die Leistungserbringer einzuschränken, die dem nachkommen. Das lässt mich hoffen, dass wir auch an anderen Stellen noch mehr für die Patienten erreichen können", so Martin Litsch.
So etwa bei der Haftung der Wirkstoffhersteller und bei der Regelung von Schadenersatzansprüchen. "Wer die Patientenrechte stärken möchte, muss arzneimittelgeschädigten Patientinnen und Patienten auch in Deutschland eine Chance geben, ihre Schadenersatzansprüche durchzusetzen", sagt Verbandschef Litsch. "Hier hätte der Minister die Chance, wirklich etwas für die Patienten zu bewegen. Mit einer kleinen rechtlichen Ergänzung ließe sich erreichen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit durch Arzneimittel verursachte Schäden nicht so einfach auf andere Umstände wie etwa das Alter des Patienten geschoben werden können." Abgedeckt sein müssten zudem Schäden durch Medizinprodukte.
Außerdem müsste dafür gesorgt werden, dass auch Ersatzansprüche der Krankenkassen nicht ins Leere laufen. Dafür bräuchte es eine Kennzeichnungspflicht der Verordnung durch den Arzt, die gleichermaßen für die Apotheke gilt. "Die Versichertengemeinschaft sollte nicht für etwas einstehen, was einzelne pharmazeutische Unternehmen verantworten", so Litsch. Für mehr Patientensicherheit und -information sollten darüber hinaus Wirkstoffhersteller in der Packungsbeilage genannt und chargenbezogen gelistet werden. Zudem müsse die Nutzenbewertung von Arzneimitteln auch bei Bestandsmarktpräparaten angewendet werden, die eine besondere Bedeutung im Markt haben, damit die wissenschaftliche Evidenz nicht bei Arzneimitteln mit Marktzugang nach 2011 stehen bleibt.
"Bedauerlich ist auch, dass die an sich sehr begrüßenswerte Regelung zur Austauschbarkeit von Biosimilars in der Apotheke nach aktuellem Stand nun erst mit dreijähriger Verzögerung in Kraft treten wird und das, obwohl für den Austausch noch eine positive Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses vorausgesetzt wird," sagt Martin Litsch.
Hochpreisspirale bei Arzneimitteln dreht sich weiter
Ungelöst lässt das Gesetz auch die Frage, wie der Trend zu immer teureren Arzneimitteln eingedämmt werden kann. Litsch: "Es ist an der Zeit, hier endlich zu handeln. Schließlich kommen immer mehr Arzneimittel für neuartige Therapien mit sechsstelligen Therapiekosten auf den Markt." Dabei war und bleibt der deutsche Markt für Pharmafirmen besonders attraktiv. Denn nur hier trägt die Gesetzliche Krankenversicherung im ersten Jahr nach der Zulassung jeden vom Hersteller festgelegten Preis. Und zwar unabhängig davon, welchen Zusatznutzen ein Mittel für die Patientinnen und Patienten hat. "Nur wenn wir in Deutschland endlich den Erstattungsbetrag für ein Arzneimittel rückwirkend ab dem ersten Tag des Marktzugangs gelten lassen, können wir die Fantasiepreise der Pharmaunternehmen verhindern."
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