Reimann: Gesundes-Herz-Gesetz komplett missraten
Berlin (ots)
Zur heutigen Fachanhörung im Bundesgesundheitsministerium zum "Gesundes-Herz-Gesetz" (GHG) bekräftigt der AOK-Bundesverband seine Kritik. Die Vorstandsvorsitzende Dr. Carola Reimann sagt dazu:
"Dieser Gesetzentwurf ist komplett missraten. Die Ampel-Koalition täte gut daran, ihn schnell zurückzuziehen. Statt die Primärprävention endlich konsequent zu fördern und durch bevölkerungsweite Maßnahmen den Konsum von Tabak, Alkohol und ungesunden Lebensmitteln zu reduzieren, dehnt die Ampel-Koalition den GKV-Leistungskatalog auf sinnlose Früherkennungsuntersuchungen, die forcierte Verschreibung von Cholesterinsenkern und inhaltlich entkernte DMP-Programme aus. Das verstößt gegen die Grundsätze des Sozialgesetzbuchs zur medizinischen Notwendigkeit und Qualität sowie zur Wirtschaftlichkeit, ignoriert die Grundsätze der evidenzbasierten Medizin und geht letztlich nur zu Lasten der GKV-Beitragszahlenden.
So erfolgt die Ausweitung der Früherkennung ohne Nutzennachweis und auf die Gefahr hin, dass knappe ärztliche Ressourcen vergeudet und der Zugang zur ärztlichen Behandlung weiter erschwert werden. Statt die fundierte Expertise des G-BA und des IQWiG im Arzneimittelbereich zu nutzen, sollen detaillierte medizinische Vorgaben für den breiten Einsatz von Statinen vom Gesetzgeber vorgeschrieben werden.
Das Ergebnis ist Staatsmedizin nach dem Rezept "Pillen statt Prävention". Zu allem Überfluss sollen diese zusätzlichen Arzneimittel und evidenzfreien Leistungen auch noch aus dem Topf für Präventionsmittel genommen werden. Es ist eine Zweckentfremdung der Präventionsgelder für diagnostische und kurative Maßnahmen. Die Folge ist, dass ein Gros der rund 100.000 zertifizierten Kursangebote für Bewegung, Ernährung, Stressreduktion und Suchtprävention gefährdet ist. Auch 11.000 zertifizierte Präventionskurse in Vereinen und 5.000 Angebote für Kinder und Jugendliche stehen damit zur Disposition. Das kann nicht Sinn und Zweck eines "Gesundes Herz Gesetzes" sein.
Doch nicht nur die Strukturen der Gesundheitsförderung werden zerschlagen, sondern auch das Erfolgsmodell DMP wird aufs Spiel gesetzt: Inhaltlich entkernt, werden die als Spezialversorgung für chronisch Kranke aufgelegten Programme zu einer Lightversion für den größten Teil der Bevölkerung ausgeweitet. Das verursacht zusätzliche Kosten in Milliarden-Höhe, die im Entwurf verschwiegen werden.
Außerdem muss die Regierung entscheiden, welche Schwerpunkte sie für die Ausrichtung der ambulanten Versorgung setzen will: Eine bessere Akutversorgung, wie sie im Rahmen der Notfallreform vorgesehen ist, passt nicht zusammen mit einer Überbeanspruchung ärztlicher Ressourcen durch fragwürdige Maßnahmen infolge der GHG-Regelungen.
Dieses Gesetz geht also in die völlig falsche Richtung: Es verhöhnt evidenzbasierte Medizin sowie deren Institutionen, es konterkariert die Primärprävention und gefährdet etablierte Präventionsstrukturen. Zudem werden Beitragsmittel verschwendet, die angegebenen Einsparpotentiale sind jedenfalls nicht nachvollziehbar. Die Ampel-Koalition sollte den Gesetzesentwurf daher schnell wieder einkassieren."
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