Gesundheitswesen weiter auf dem Weg in Mangelverwaltung
Rostock (ots)
Die professionelle Versorgung der Patienten ist akut bedroht. Die deutsche Ärzteschaft warnte am Mittwoch auf dem 105. Deutschen Ärztetag in Rostock eindringlich vor dem Versagen des Gesundheitswesens. "Nicht mehr nur die soziale Gestalt des Gesundheitswesens ist in Gefahr, sondern grundlegende Versorgungsaufträge werden - wenn keine Neuorientierung erfolgt - nicht mehr zu erfüllen sein", heißt es in einem Beschluss des Ärztetages. Die rücksichtslose Ökonomisierung des Gesundheitswesens führe nicht nur zu einer Ausgrenzung der sozial Schwachen und Kranken, sondern auch zu einem allgemeinen Qualitäts- und Funktionsverlust. Dafür entscheiden "fragwürdige Sachverständigengutachten und Meinungen selbst ernannter Experten" über die Zukunft der Gesundheitspolitik. "Nicht die Gesundheitsbedürfnisse der Menschen in Deutschland, sondern die Interessen und Ideologien von Experten lenken die Politik", kritisieren die Delegierten.
Es sei höchste Zeit zu handeln. Bereits jetzt müssten Menschen wegen der verfehlten Gesundheitspolitik auf Operationen teilweise monatelang warten. Der medizinische Fortschritt gehe teilweise an Deutschland vorbei, weil das Geld fehlt. Notwendige Therapien mit neuen, teuren Medikamenten fänden oft nicht mehr statt und neue Geräte würden nicht mehr angeschafft. Auch in der Behandlung chronischer Erkrankungen herrsche ein massives Defizit, weil Mittel dafür fehlen. Dringende Gesundheitsbedürfnisse ganzer Bevölkerungsgruppen, wie z.B. die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, würden unzureichend berücksichtigt.
Zudem leiden die Ärzte unter miserablen Arbeitsbedingungen in veralteten und schlecht instand gehaltenen Kliniken, einer Überlastung unter grober Missachtung des Arbeitszeitgesetzes und einer öffentlichen Diffamierung. Viele Ärzte hätten bereits Konsequenzen gezogen, seien entweder früher als geplant in den Ruhestand gegangen oder ins Ausland abgewandert. Studienabsolventen wichen in großer Zahl in andere Berufsfelder aus. Dadurch sei schon jetzt die Versorgung in etlichen ländlichen Gebieten nicht mehr gesichert.
"Dabei ist absehbar: Die gesetzgeberischen Fehlleistungen der letzten Jahre haben ihre katastrophalen Wirkungen noch gar nicht voll entfaltet", heißt es in dem Beschluss. Die überstürzte und schlecht vorbereitete Einführung des Fallpauschalengesetzes zur Krankenhausfinanzierung werde es schwer machen, dass Ärzte sich in ausreichendem Maße um schwerkranke Patienten kümmern. Personelle Engpässe der Krankenhäuser würden sich aus wirtschaftlichen Gründen noch mehr verschärfen, Ärzte noch mehr zu Buchhaltern der Krankenhausverwaltung, denen die Zeit für die Arbeit am Patienten gestohlen werde, so die Kritik des Ärztetages.
Der Ärztetag forderte einen schnellen und tiefgreifenden Wechsel der Gesundheitspolitik. Die Einnahmebasis der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sollte etwa durch Ausdehnung auf andere Einkunftsarten und eine gerechtere Gestaltung der Familienmitversicherung erweitert werden. Die sozialpolitischen "Verschiebebahnhöfe" zu Lasten der GKV müssten beendet, versicherungsfremde Leistungen aufgegeben werden. Durch mehr Kostentransparenz soll der Bürger erfahren, was für seine Gesundheit einerseits und für die Verwaltungsapparate der Krankenkassen und Versicherungen sowie für Sachverständige andererseits ausgegeben wird.
Rückfragen an Pressestelle der deutschen Ärzteschaft Tel.: 030/30889830
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