Merkel hält Rückfall in Diktatur nicht für völlig ausgeschlossen
Hamburg (ots)
Auch 60 Jahre nach Kriegsende und 15 Jahre nach dem Fall der Mauer ist Deutschland nach Ansicht von CDU-Chefin Angela Merkel nicht vor dem Rückfall in eine Diktatur gefeit. "Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass man immer wieder darum kämpfen muss, Strukturen aufzubauen, die verhindern, dass so etwas wieder passiert", sagt sie der ZEIT. "Zu glauben, dass die Auseinandersetzung in den 50er-, 60er- und 70er-Jahren uns für alle Zeiten das Lernen aus der Geschichte zum Nulltarif gewährt, das vermag ich nicht."
Merkel selbst wurde als junges Mädchen mit den Auswirkungen der Nazi-Diktatur auf verschiedenste Weise konfrontiert: Mit der Schule habe sie zweimal im Jahr das KZ Ravensbrück besucht. Und die Lehrerin habe "fast jeden Tag vom Nationalsozialismus gesprochen". Außerdem habe ihre Mutter oft von Evakuierungen und Bombennächten in Hamburg erzählt. "Es gab Zeiten, in denen ich als Kind jede Nacht davon geträumt habe", sagt sie der ZEIT.
Merkel teilt die Ansicht, dass der Tag des Kriegsendes ein "Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus, und zwar für alle" war. Allerdings war das Datum "für uns in Ostdeutschland" der Anfang der nächsten Diktatur. "Die Befreiung vom Nationalsozialismus bedeutete noch nicht die Freiheit für alle", sagt sie.
Später habe sie sich sehr mit der Frage beschäftigt: "Warum sind die Russen hier?", erklärt Merkel. Die Sowjetunion habe zwar zu den Befreiern vom Faschismus gehört. "Dass aber diejenigen, welche unter sowjetischer Besatzung lebten, mit schwierigeren Bedingungen umgehen mussten, war ebenso klar." Sie fügt hinzu, "dass gerade wir in Ostdeutschland einen besonderen Tribut für diesen Krieg gezahlt haben". Deshalb hätten "wir als Deutsche wieder die Chance, gleichberechtigt auf der Welt agieren zu können".
Das komplette Interview der ZEIT Nr. 16 vom 14. April 2005 senden wir Ihnen gerne zu.
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