Deponie Spröda: Millionen für Sanierung und Rekultivierung versickert?
Berlin (ots)
Deutsche Umwelthilfe fordert Aufklärung über den Verbleib der für die Schließung der Abfalldeponie in Nordsachsen seit 1993 angesammelten Rücklagen und sofortige Rekultivierungsmaßnahmen - Regierungspräsidium Leipzig bestätigt Grundwassergefährdung - Intransparentes Firmenkonstrukt erschwert Aufklärung über den Verbleib von Rücklagen aus Abfallgebühren - Merkwürdige Rolle des Landkreises als Mehrheitseigner des Deponiebetreibers und kritische Fragen an Landrat Czupalla (CDU)
3. Juni 2008: Die ordnungsgemäße Sanierung und Rekultivierung der mehrfach wegen Unregelmäßigkeiten in die Schlagzeilen geratenen Abfalldeponie Spröda im nordsächsischen Landkreis Delitzsch wird immer fraglicher. Zahlreiche Indizien sprechen dafür, dass eine vom Deponiebetreiber Kreiswerke Delitzsch GmbH (KWD) im vergangenen Jahr beantragte zeitliche Verschiebung der Rekultivierungsmaßnahmen erfolgte, weil die für die kostenträchtigen Maßnahmen während der Einlagerungsphase angesammelten Rückstellungen in einem intransparenten Firmengeflecht versickert sind. Die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises, die seit 1993 mit ihren Abfallgebühren auch die spätere Sanierung der Deponie finanzieren sollten, sind gleich doppelt betroffen: Zunächst mussten sie viele Jahre außergewöhnlich hohe Abfallgebühren zahlen, nun wächst die Gefahr einer schleichenden Vergiftung des Grundwassers in der Region.
"Der zuständige Landrat Michael Czupalla hätte den Ungereimtheiten um die Skandaldeponie Spröda längst auf den Grund gehen müssen. Die Bürger haben ein Recht auf Aufklärung, vor allem aber haben sie ein Recht auf eine auch in Zukunft intakte Umwelt", sagte Jürgen Resch, der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH).
Die KWD, hatten den Antrag auf Verlängerung der Frist für die Oberflächenabdeckung und Rekultivierung der Deponie Spröda im Januar 2008 beim zuständigen Regierungspräsidium Leipzig gestellt. Wegen der bestehenden Risiken für das Grundwasser lehnte der Regierungspräsident die Verschiebung ab und gab der Sicherheit der Bevölkerung Vorrang. Für eine Verzögerung der Deponiesanierung gebe es keinerlei plausible, fachliche oder rechtliche Begründung. Die Rekultivierungsmaßnahmen seien spätestens bis November 2009 durchzuführen. Ob dies gelingt steht jedoch derzeit in den Sternen.
Die Deponieverordnung schreibt unter anderem die Auftragung zweier jeweils einen halben Meter dicken Materialschichten zur Abdichtung der Deponie-Oberfläche vor. Außerdem muss ein System zur Ableitung des Oberflächenwassers von der Deponie installiert und verbessert werden. Die Sanierung ist aufwändig und müsste eigentlich aus einem Teil der über Jahre mit den Abfallgebühren erhobenen Rückstellungen - rund 8,7 Millionen Euro - erfolgen. Dafür, dass diese Mittel nicht mehr zur Verfügung stehen, sprechen eine Reihe handfester Indizien.
So gab es bereits 2006 eine Strafanzeige gegen Landrat Michael Czupalla (CDU) und den Geschäftsführer der KWD, Heinz Böhmer, wegen Untreue. Die Staatsanwaltschaft Leipzig stellte das Ermittlungsverfahren gegen Böhmer jedoch mit Datum vom 31. August 2006 mit der Begründung ein, dass es sich bei den von 1993 bis 2001 gebildeten Rückstellungen nicht um eine Vermögensposition handele, sondern lediglich um "eine Position zur buchmäßigen Darstellung drohender Verbindlichkeiten". Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft, ergäben sich aus der Bilanz zum 31. Dezember 2005 Rückstellungen in Höhe von über 8 Millionen Euro. "Die dringliche Rekultivierung der Deponie Spröda kann nicht mit buchhalterischen Finessen bezahlt werden. Das Geld muss für reale Sanierungsmaßnahmen schlicht und einfach real da sein", kritisierte Resch. Die DUH fordert deshalb eindringlich restlose Aufklärung über den Verbleib der seit 1993 angeblich angesammelten Rücklagen in Höhe von 8,7 Millionen Euro und den sofortigen Start geeigneter Rekultivierungsmaßnahmen zur Gefahrenabwehr auf der Deponie Spröda.
Gegenüber der Presse beteuerte Böhmer im Mai 2006, dass das Geld nicht verschwunden sei. Doch im selben Interview räumte er das Fehlen dann indirekt ein, indem er ankündigte, die Kosten für die Deponienachsorge aus Gewinnen anderer KWD-Geschäftsfelder, wie zum Beispiel aus der Ersatzbrennstoffproduktion, in den kommenden 25 Jahren decken zu wollen. Doch auch dieses Geschäftsfeld bringt, nach Darstellung des in der Region aktiven Bürgerverein Sauberes Delitzscher Land e.V., bisher keine Gewinne. Zum Verbleib der Millionen erklärte Böhmer, sie seien in verschiedene Vermögenswerte der Kreiswerke geflossen.
Diese Aussage steht jedoch in diametralem Widerspruch zu einem Schreiben von Regierungspräsidenten Walter Christian Steinbach an Landrat Czupalla vom 22. August 2007. Dort stellt der Regierungspräsident nach Durchsicht der vorgelegten Bilanzen der KWD fest, das Sachanlagevermögen der KWD sei "offenbar überwiegend kreditfinanziert". Außerdem dürfte "dem Unternehmen über die Forderungen und den Kassenbestand hinaus (4,8 Mio. EUR) objektiv keine Liquidität z.B. durch die Aufnahme neuer Kredite zur Erfüllung seiner Sanierungspflichten zur Verfügung stehen."
Als Aufsichtsratvorsitzender der KWD ist Landrat Czupalla für die Kontrolle und Überwachung zuständig. "Spätestens seit dem Schreiben des Regierungspräsidenten vom August 2007 hatte Landrat Czupalla alle Karten auf dem Tisch. Doch er handelte nicht. Statt den Liquiditätsproblemen bei den KWD auf den Grund zu gehen, versucht er eine Offenlegung und öffentliche Debatte auf die lange Bank zu schieben", kritisierte die Leiterin Kreislaufwirtschaft der DUH, Maria Elander.
Ein weiteres Indiz dafür, dass die Rücklagen zur Deponiesanierung versickert sind, ergibt sich aus einem Rechtsstreit zwischen einem privaten Mitgesellschafter der KWD, der RMG Rohstoffmanagement Wiesbaden GmbH, und dem Landkreis Delitzsch, der an der KWD eine 55-Prozent-Mehrheit hält. RMG war erst zum Jahresbeginn 2006 in das komplizierte Beteiligungsgeflecht um die KWD eingetreten. Dennoch wollen KWD und Landkreis den neuen Anteilseigner nach Informationen der Deutschen Umwelthilfe zwingen, sich an den Sanierungskosten für die Deponie Spröda finanziell zu beteiligen, obwohl die nur bis zum 31. Mai 2005 regulär betrieben wurde. Dagegen klagt die RMG vor dem Landgericht Leipzig. Auch dieser Vorgang deutet darauf hin, dass die für die Deponiesanierung über die Betriebsjahre angesammelten Millionen nicht mehr zur Verfügung stehen. RMG verlangt, dass der Landkreis für die Rekultivierung gerade steht.
Trotzdem hat der sächsische Innenminister, Dr. Albrecht Buttolo (CDU), am vergangenen Freitag auf eine mündliche Anfrage des Landtagsabgeordneten Johannes Lichdi (Fraktion GRÜNE) mitgeteilt: "Der Staatsregierung liegen keine Informationen über Liquiditätsprobleme vor". Doch es bleiben viele Fragen offen.
Im August 2007 wurde die Fertigstellung der Rekultivierungsmaßnahmen der Deponie Spröda antragsgemäß bis November 2009 vom Regierungspräsidium genehmigt. Anschließend hat die KWD Widerspruch gegen den auf ihren eigenen Antrag ergangenen Bescheid eingereicht. Das Regierungspräsidium hat im Widerspruchsbescheid gegen diese Verzögerung der Sanierungsmaßnahmen den November 2009 als den "spätest möglichen Zeitpunkt im Sinne des Schutzes vor Umweltgefahren und schädlichen Auswirkungen" festgelegt.
Elander: "Wenn die Mittel für die Deponiesanierung verfügbar sind, warum klagt die KWD dann aktuell gegen den auf ihren eigenen Antrag ergangenen Bescheid? Warum versucht die KWD die Sanierung der Deponie Spröda mit einer aus Sicht des Regierungspräsidiums Leipzig "unqualifizierten und unrichtigen Übertragung der Randbedingungen [...] auf den gesamten Standort der Deponie Spröda" zu verzögern? Bis zu welchem Zeitpunkt wäre das bilanzierte - nach Auffassung des Regierungspräsidenten offensichtlich überwiegend kreditfinanzierte und nicht zur Verfügung stehende - Geld für die Deponiesanierung tatsächlich verfügbar? Schließlich: Wenn ausreichend Liquidität für die Deponiesanierung verfügbar wäre, warum verklagt die RMG den Landkreis und die KWD und verlangt, dass der Landkreis für die Sanierungskosten der Deponie Spröda aufkommen soll?"
Über den Verbleib der offensichtlich aktuell nicht verfügbaren Rücklagen blühen die Spekulationen. Angeheizt werden sie durch ein intransparentes Beteiligungskonstrukt um die KWD und einen erstmals 1992 zwischen dem Landkreis und den Kreiswerken ohne öffentliche Ausschreibung zustande gekommenen Entsorgungsvertrag. Er wurde 2005 per Kreistagsbeschluss (und erneut ohne öffentliche Ausschreibung) noch einmal bis 2025 verlängert. Entsprechend ist die KWD für die Sammlung und Entsorgung der sogenannten andienungspflichtigen Abfälle und den Betrieb der Deponien verantwortlich. Die dabei anfallenden Kosten werden dem Landkreis von der KWD in Rechnung gestellt, ebenso müssten die prognostizierten Rekultivierungs- und Sanierungsaufwendungen für die Deponien in so genannten Entgeltverträgen ihren Niederschlag finden. Seit fast drei Jahren fordert der Bürgerverein Sauberes Delitzscher Land - inzwischen auch auf dem Klageweg - vergeblich Einsicht in die Verträge. Der Bürgerverein geht mittlerweile davon aus, dass es diese Entgeltverträge möglicherweise gar nicht gibt, sondern die Kreiswerke freihändig irgendwelche Entgelte vom Landkreis verlangen. Es sei zu befürchten, dass der Landkreis die Rechnungen ohne Prüfung, ob sie dem Gebot der Angemessenheit und Wirtschaftlichkeit entsprachen, beglichen habe.
Wahrscheinlich scheint inzwischen, dass die über hohe Abfallgebühren angefallenen Gewinne der KWD zumindest anteilig über so genannte Gewinnabführungsverträge unmittelbar einer Muttergesellschaft (der ENEBA GmbH) zuflossen. Die KWD erbrachten seit der Gründung fast die gesamten ENEBA-Umsatzerlöse. Die Gewinne, wurden offenbar weder zur Dämpfung der Abfallgebühren noch an den Kreishaushalt abgeführt.
"Um Gefahren für Umwelt und Gesundheit der Bürger im Landkreis Delitzsch abzuwenden, muss mit den Rekultivierungsarbeiten auf der Deponie Spröda sofort begonnen werden", fordert Elander. Am Ende sei zu befürchten, dass die Bürgerinnen und Bürger der Region die Zeche für die Misswirtschaft des Landkreises zahlen müssen.
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Maria Elander, Projektleiterin Kreislaufwirtschaft, Deutsche
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