Rußfilterförderung: Länder bilden "schwarzen Block" zum Wohle der Autolobby
Berlin (ots)
Das "Schwarzer-Peter-Spiel" um die Förderung des Diesel-Partikelfilters zwischen Bund und Ländern geht in die nächste Runde - Deutsche Umwelthilfe fordert Ministerpräsidenten der unionsgeführten Bundesländer auf, die Fernsteuerung durch die Automobilhersteller abzuschütteln
Berlin, 02. Juni 2006: Keine 24 Stunden, nachdem die Bundesregierung nach jahrelangem Stillstand endlich ein diskussionswürdiges Rußfilter-Förderkonzept für Pkw veröffentlicht hat, wiederholt sich das alte Spiel: Ohne Wenn und Aber lehnen die unionsgeführten Bundesländer das Eckpunktepapier ab und exekutieren nach Informationen der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH) eins zu eins die Vorstellungen der Autohersteller. In einem Schreiben an Finanzstaatssekretär Axel Nawrath erklärt der Bayerische Staatsminister der Finanzen, Kurt Faltlhauser (CSU), er habe die Koordinierung der Haltung der Finanzminister der unionsgeführten Länder übernommen und die würden das Konzept der Bundesregierung "einhellig nicht befürworten." Im Duktus der Automobilkonzerne schreibt Faltlhauser, die von der Bundesregierung vorgeschlagene Regelung benachteilige "in nicht vertretbarer Weise" Autobesitzer, deren Neufahrzeuge auch ohne Filter "durchweg die strengste europäische Schadstoffnorm (Euro 4) einhalten" und deshalb "bereits jetzt besonders schadstoffreduziert" seien. Eine Benachteiligung dieser Kfz-Besitzer hält der Staatsminister für "verfehlt".
"Der Deutschen Umwelthilfe liegen Lobbybriefe der Automobilindustrie an die Politik vor, die seltene Einblicke in den Gang politischer Entscheidungsprozesse erlauben", sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Der eindrucksvolle Gleichklang bei der Ablehnung der Filterförderung gehe dabei erkennbar auf die Politikberatung der Automobilkonzerne bzw. Marken Volkswagen, Audi und Mercedes-Benz zurück. "Während Landespolitiker wie Reinhold Kopp im Saarland oder Dieter Spöri aus Baden-Württemberg immerhin erst nach ihrer Abwahl als Lobbyisten in die Dienste der Automobilindustrie eintraten, ist Professor Faltlhauser offenbar schon als bayerischer Staatsminister der Finanzen im Nebenjob für die Automobilkonzerne tätig. Das hat schon eine eigene Qualität."
Das gehe beispielsweise aus einem Brief von Daimler Chrysler hervor, in dem Konzernchef Dieter Zetsche die Überlegungen aus dem Bundesumwelt- und Bundesfinanzministerium grundsätzlich zurückweisen lässt. Zetsche fordert statt einer Nachrüstung von Altfahrzeugen, diese "schrittweise durch effiziente Fahrzeuge mit neuer Technologie (inkl. serienmäßigem Partikelfilter) zu substituieren." Insbesondere lehnt der Daimler Chrysler-Konzern die von der Bundesregierung vorgeschlagene Malusregelung für ungefilterte Neufahrzeuge zur Gegenfinanzierung der Rußfilter-Förderung fast wortgleich mit Faltlhauser ab. Die Intervention basiert auf einem handfesten Motiv: Zetsche will ab 2007 den neuen Smart ForTwo ohne Partikelfilter verkaufen. Und das, obwohl Jürgen Schrempp, sein Vorgänger im Amt, einst ausdrücklich versprach, auch die Stadtwagen-Marke Smart erhalte einen Filter. Der in Stuttgart - der Stadt mit den bundesweit häufigsten Grenzwertüberschreitungen von gesundheitsschädlichem Feinstaub - residierende Ministerpräsident Günther Oettinger geht Zetsche dabei dabei gern zur Hand.
Nach Informationen der DUH brüsteten sich Vertreter von Volkswagen und Audi dieser Tage bereits gegenüber Autojournalisten des erneuten Erfolgs der Autolobby bei der Verhinderung der Filterförderung über die Länderschiene. Aus Hannover, so wiederum Faltlhauser in seinem Schreiben an den Finanzstaatssekretär, ließ der VW-Aufsichtsrat und niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff erklären, sein Land lehne die "Förderung von Dieselrußfiltern für Pkw im Rahmen der Kraftfahrzeugsteuer aus grundsätzlichen Erwägungen generell ab."
"Ehrlicher wäre es gewesen, Niedersachsen hätte erklärt, die Filterförderung sei nicht im Interesse von Volkswagen", meint Resch. "Die Ministerpräsidenten der Länder müssen endlich die Fernsteuerung durch mächtige Konzerne abschütteln und ihrer Verpflichtung nachkommen, die Bürgerinnen und Bürger in den Städten vor gefährlichem Feinstaub und den Gesundheitsschändern zu schützen". Das Motiv der Autoindustrie für ihren immer unverblümteren Blockadekurs gegen jeden Vorschlag zur Nachrüstförderung sei die Befürchtung, dass die massenhafte Filterausrüstung älterer Dieselfahrzeuge zu Lasten des Verkaufs von Neuwagen gehe. Dafür nehme man bewusst in Kauf, dass die Extrembelastungen durch Feinstaub, die laut Weltgesundheitsorganisation allein in Deutschland zu jährlich 75.000 vorzeitigen Todesfällen führen, länger weiter gehen als notwendig.
Resch erinnerte daran, dass Bayern noch vor zwei Wochen intern und auf ausführlichen fünf Seiten unter den Bundesländern für einen "Bayerischen Modellvorschlag zur steuerlichen Förderung der Nachrüstung von Diesel-Pkw mit Partikelfiltern" geworben habe, der sich vom aktuellen Eckpunktepapier der Bundesregierung nur in Nuancen unterschied. Vom Finanzvolumen und den angestrebten Förderfristen her, sei der bayerische Vorschlag sogar deutlich über das aktuelle Konzept des BMU und des BMF hinausgegangen. Nach der zwischenzeitlichen Intervention der Autolobbyisten kämpfe nun Bayern engagiert gegen sein eigenes Konzept. "Die konstruktive Phase ist offenbar vorbei, die der Blockade wieder da".
Das I-Tüpfelchen setzte gestern der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Bernd Gottschalk, der sich mit der Forderung zitieren ließ, die Hersteller drängten nun auf "schnelle Umsetzung" der Filterförderung. Die von seinen wichtigsten Mitgliedsunternehmen veranlasste Totalblockade erwähnte Gottschalk nicht. "Wenn der VDA-Präsident öffentlich zur Eile mahnt, ist äußerste Skepsis angebracht", sagte Resch und erinnerte daran, dass Gottschalk bereits zum Jahreswechsel 2005/2006 in der Öffentlichkeit aufs Tempo gedrückt habe, während er gleichzeitig in vertraulichen Schreiben die Ministerpräsidenten aufforderte, einer Bundesratsinitiative zur technischen Spezifikation von Nachrüstfiltern nicht zuzustimmen.
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