Weser-Kurier: Zu den Plagiatsvorwürfen schreibt der "Weser-Kurier" (Bremen) in seiner Ausgabe vom 2. Oktober 2013:
Bremen (ots)
Gehört auch Frank-Walter Steinmeier zu den Sündern, die in ihrer Doktorarbeit ohne Quellenangaben bei anderen abgeschrieben haben? Es ist wie immer in so einem Fall: Dem Anfangsverdacht müssen universitäre Gremien nachgehen, aber bis zum Beweis des Gegenteils gilt die Unschuldsvermutung. Aus guten Gründen. Denn was im Falle des SPD-Fraktionschefs stutzig macht: Der Wirtschaftsprofessor, der glaubt, Steinmeier beim Abkupfern ertappt zu haben, hat sich vor allem auf spezielle Computerprogramme verlassen. Uwe Kamenz hat Steinmeiers Arbeit elektronisch mit 95<ET>Quellen verglichen. An mehr als 500<ET>Stellen sollen problematische Übereinstimmungen festgestellt worden sein. Dabei gibt es selbst unter den Plagiatsjägern viele, die sagen: Mit Software allein kann man keine Verfehlungen dokumentieren. Seit Karl-Theodor zu Guttenberg zu Recht über seine Doktorarbeit gestolpert ist, fühlt sich ein Heer an mehr oder minder berufenen Zeitgenossen zur Hütung des geistigen Eigentums aufgerufen. Natürlich gibt es darunter etliche, denen es um die Qualität der wissenschaftlichen Arbeiten geht. Aber es gibt in den einschlägigen Internet-Foren auch Menschen, bei denen der Jagdinstinkt das eigentliche Motiv des Handelns zu sein scheint. Natürlich gehört es sanktioniert, wenn jemand wissentlich gegen Zitierregeln verstößt und sich mit einem schnellen Doktortitel möglicherweise Karrierevorteile verschafft. Andererseits kann der blanke, schnell öffentlich gemachte Vorwurf aber auch nachhaltig rufschädigend sein. Was im Moment auf jeden Fall zu kurz kommt: Eine Doktorarbeit ist keine Ansammlung von Fußnoten, sondern sie lebt von den analytischen Fähigkeiten des Verfassers und dessen Argumentationskraft. Auch daran muss man den Wert einer Doktorarbeit messen. Im Fall der zurückgetretenen Bundesbildungsministerin Annette Schavan ist selbst unter hervorragenden Wissenschaftlern umstritten, ob sie wissenschaftliche Regeln grob verletzt hat. Trotz juristischen Streits wurde Schavan am Montag in den Hochschulrat der Universität München gewählt. Das zeigt, wie schmal der Grat inzwischen ist.
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