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Berliner Morgenpost: Ärztemangel: Gegenmittel, Risiken und Nebenwirkungen (Leitartikel)

Berlin (ots)

Der Beruf des Landarztes ist vom Aussterben
bedroht. Immer weniger Mediziner sind bereit, als Haus- oder 
Allgemeinarzt zu praktizieren. Und von denen, die das wollen, ziehen 
die wenigsten aufs Land. In fünf Jahren könnten fast 28000 
Ärzte fehlen, in zehn Jahren fast 60000. Es wird höchste 
Zeit, gegenzusteuern. Dass nach vielen vergeblichen Versuchen der 
Politik die Ärzte endlich selbst die Initiative ergriffen haben, ist 
richtig. Das erhöht die Akzeptanz der nötigen Veränderungen in den 
eigenen Reihen.
Die Gründe für die Entwicklung sind vielfältig. Junge Ärzte teilen 
das Schicksal vieler anderer Akademiker, die zum Studium in die Stadt
gehen und dort Wurzeln schlagen. Dieses Leben erscheint ihnen oft 
attraktiver, und nicht selten finden auch die berufstätigen 
Lebenspartner dort besser Arbeit. Zurück auf dem Land bleiben im 
wahrsten Sinne des Wortes die Alten und Kranken. Die Kirchen kennen 
das schon. Sie schicken ihre Pfarrer vielfach von Dorf zu Dorf, um 
dort auch ohne feste Pfarrstellen das Gemeindeleben zu erhalten. Auch
immer mehr Ärzte könnten demnächst auf Reisen gehen.
Mobile Mediziner würden sich dann mit Kollegen anderer Fachrichtungen
eine Praxis am Ort teilen und dort tageweise arbeiten. Dann ziehen 
sie weiter oder fahren zurück in die Großstadt. Dort gibt es - das 
ist die Kehrseite der Landflucht - immer mehr hoch spezialisierte 
Ärzte, die nur in Metropolen genügend Patienten finden. Die Kollegen,
die sich um die vermeintlich alltäglichen Wehwehchen kümmern, haben 
nicht nur finanziell das Nachsehen. Für sie wird die Eröffnung einer 
Praxis zunehmend zum finanziellen Risiko.
Die Gegenmittel, die die Kassenärztliche Bundesvereinigung dem 
Berufsstand nun verschreiben möchte, dürften nicht unumstritten 
bleiben. Dass sich Ärzte nur noch dort niederlassen sollen, wo sie 
gebraucht werden, und nicht mehr dort, wo es lukrativ ist, wird nicht
allen Freiberuflern gefallen. Aber ohne solche Nachhilfe würde der 
ländliche Raum abgehängt werden. Unzufriedenheit wird auch der 
Vorschlag hervorrufen, ambulant praktizierende Ärzte in 
Krankenhäusern arbeiten zu lassen und umgekehrt den Kliniken die 
ambulante Behandlung zu erlauben. Bis jetzt war die Grenze zwischen 
den Sektoren undurchlässig - beide Seiten haben davon profitiert.
Viele Ärzte empfinden die Arbeitsbedingungen in ihrem Beruf heute als
unattraktiv. Sie klagen über zu viel Bürokratie und über zu wenig 
Zeit für die Patienten. Auch daran soll nach Meinung der 
Kassenärztlichen Vereinigung etwas geändert werden - durch eine neue 
Form der Vergütung. Künftig soll die Behandlungsdauer das Honorar 
bestimmen, nicht mehr wie bisher die Zahl der Patienten. Gleichzeitig
wollen die Ärzte die Verantwortung für die Kosten der von ihnen 
verschriebenen Arzneimittel loswerden. Das klingt nach besseren 
Arbeitsbedingungen, aber dahinter könnte der Wunsch stehen, endlich 
die ungeliebten Kostenbremsen loszuwerden, die es im Gesundheitswesen
gibt. Die Bundesregierung und die Krankenkassen sollten hier 
aufpassen.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell

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