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WAZ: Steinbrück löst Koalitionsdebatte aus: Wahlakrobatik - Leitartikel von Peter Szymaniak
Essen (ots)
Die geballte Polit-Prominenz im Ruhrgebiet demonstrierte: Die NRW- Landtagswahl hat große bundespolitischer Bedeutung. Derzeit liegt die SPD klar hinter der CDU. Die SPD-Spitze macht sich damit Mut, dass viele Bürger noch unentschlossen sind. Das klingt nach dem berühmten Pfeifen im Walde. Und doch hat die SPD genauso Recht wie die CDU-Führung, die vor zuviel Euphorie warnt. Angesichts der geringen Parteibindungen werden erst die letzten Tage vor der Wahl entscheiden. Es wird daher darauf ankommen, ob es den Parteien gelingt, ihre Leute zu mobilisieren. Soviel ist klar: Die CDU hat damit keine Probleme, die SPD aber wohl. An der Basis sind immer noch viele verbittert, dass ausgerechnet die Sozialdemokraten Steuern für Spitzenverdiener gesenkt und zugleich Sozialleistungen gekürzt haben. Aber mit den anderen wird es viel schlimmer, wir sind der soziale Garant, ruft die SPD. Die Angst vor der schwarz-gelben Republik soll die SPD- Anhänger in die Wahlkabine treiben. Der Lager-Wahlkampf also, der Kulturkampf: Rot-Grün gegen Schwarz-Gelb, angebliche sozial- ökologische Politik gegen angebliche neoliberale Eiseskälte. Das könnte funktionieren, wenn der SPD-Spitzenkandidat nicht ein differenziert denkender Mann wäre. Für Steinbrück ist Rot-Grün keine Herzenssache, im Gegenteil. Er weiß nur zu gut: Die Grünen haben vom politischen Gegner das Etikett überbürokratische Arbeitsplatzvernichter umgehängt bekommen - und das schadet nicht den Grünen, sondern der SPD. Vor zwei Jahren strebte Steinbrück deshalb bereits eine andere Koalition an. In Unternehmenskreisen heißt es, wir würden ja Steinbrück wählen, wenn er nicht die Grünen am Hals hätte. Deshalb will sich Steinbrück alle Möglichkeiten offen lassen - und sagt das vor der Wahl. Kulturkampf für die SPD-Basis, Absetzbewegungen von den Grünen für die Wirtschaft - eine akrobatische Turnübung, bei der man sich leicht verrenken kann.
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