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WAZ: NRW-SPD sucht nach Profil: Fehlende Trennschärfe wird zum Problem - Kommentar von Hendrik Groth

Essen (ots)

Plötzlich werden sie in Nordrhein-Westfalen alle
sozial. Die einst forschen und stramm auf Wirtschaftskurs geeichten 
Jungen Liberalen sagen Ja zur Umverteilung. Die Mutterpartei FDP 
unterstützt in einem Landesvorstandsbeschluss die Forderungen von 
Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, Ältere in der 
Arbeitslosenversicherung besser abzusichern. Der Regierungschef 
selber gibt den Landesvater in der Tradition von Johannes Rau und hat
damit die Sozialdemokratie im Lande strategisch ausgetrickst. Denn 
die SPD-Spitze verteidigt die Schrödersche Agenda 2010 und wirkt so 
unfreiwillig hartherzig, während Rüttgers durchs Land tingelt und 
Reden hält, die Sozialdemokraten noch in den 90er Jahren des 
vergangenen Jahrhunderts mit Inbrunst intoniert haben.
Die Genossen in NRW stecken deshalb im zweiten Jahr nach dem 
historischen Machtverlust in einer ungemütlichen Lage. Sie brauchen 
dringend ein Thema mit dem sie sich profilieren können und die 
Fraktionsvorsitzende Hannelore Kraft glaubt mit ihrer fundamentalen 
Kritik an der von der Großen Koalition geplanten 
Unternehmens-Steuerreform ein solches gefunden zu haben. Ob der 
Paradigmen-Wechsel "NRW-SPD gegen die Politik von Wolfgang Clement 
und Peer Steinbrück" aufgeht, darf abgewartet und auch bezweifelt 
werden.
Natürlich klingt es für die Wählerschaft besser, die 
Unternehmens-Steuerreform nur aufkommensneutral zu gestalten. Wenn 
die Mehrwertsteuer erhöht wird, dann ist es schwierig zu erklären, 
warum Unternehmen weniger Steuern zahlen sollen. Der Reflex "wir 
stehen für die kleinen Leute" wird so besser bedient. Völlig außer 
acht wird hingegen gelassen, dass es um die internationale 
Wettbewerbsfähigkeit geht. Auch wird
 ignoriert, dass sich Steinbrück an den Steuersätzen in der OECD 
orientiert und nicht an irgendwelchen Fabelsätzen in der Dritten 
Welt.
Im Prinzip kopieren die NRW-Sozialdemokraten mit ihrem Vorgehen 
die Lebenslügen-Argumentation von Rüttgers. Der Christdemokrat wirft 
Teilen seiner Partei vor, sie glaube dogmatisch daran, dass 
Steuersenkungen Arbeitsplätze brächten. Wenn die SPD in Düsseldorf 
nun auch auf diesen Zug springt, dann sollte sie sich die Geschichte 
der CDU an Rhein und Ruhr anschauen. Der soziale Norbert Blüm hatte 
gegen Johannes Rau nie eine Chance. Er galt als eine 
christdemokratische Variante und nicht als eine Alternative. Was 
unterscheidet die SPD noch von der CDU und andersherum? Die fehlende 
Trennschärfe wird ein Problem, nicht nur in NRW.

Rückfragen bitte an:

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Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de

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