Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum FDP-Bundesparteitag in Nürnberg: "Liberale Selbstbestärkung" von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots)
Die rot-grüne Steuerorgie und die bayerische Spezl-Affäre könnten der FDP wieder Aufwind verschaffen.
Die deutschen Liberalen haben vielfältige und einschlägige Erfahrungen mit Formen des politischen Scheintods. Immer mal wieder wurden die Totenglöckchen geläutet und das sichere Ende der FDP vorausgesagt. Vor einigen Monaten noch galt die in Berlin und München mitregierende Truppe der Rösler, Brüderle, Zeil und Co. als außerparlamentarische Opposition in spe. Ihr Wiedereinzug in den Bundestag und in das Münchner Maximilianeum wurde von Umfrage zu Umfrage unwahrscheinlicher. Auf den "netten Herrn Rösler" wollte keiner mehr einen Pfifferling wetten. Selbst die Union hatte nur noch mitfühlenden Spott für die Blau-Gelben. Eine leidlich erfolgreiche Landtagswahl in Niedersachsen, zwei Parteitage und viele markige Reden später scheint die FDP dem Polit-Scheintod entronnen. Auf dem Nürnberger Parteitag half jetzt wortreiche Autosuggestion von Brüderle und Rösler über die liberale Malaise hinweg. Es geht ihr, rein umfragetechnisch betrachtet, zwar noch nicht viel besser, aber man redet sich ein, es werde schon wieder für den Bundestag und die Landtage von Bayern und Hessen reichen. Wer wird das schaffen? Wir werden es schaffen! So peitscht Brüderle seinen Mitstreitern gleichsam neues Selbstvertrauen ein. Allerdings hat weniger die Selbstermunterung noch die Inthronisation von Rainer Brüderle zum Spitzenkandidaten oder Röslers Wiederwahl zum Parteichef das liberale Siechtum gestoppt, entscheidend waren vielmehr die knarzigen Steuererhöhungsprogramme von Rot und Grün. Auch die Vetternwirtschaft bayerischer Politiker könnte der notleidenden Partei wieder Aufwind bescheren. Sie sind eine Steilvorlage für die liberalen Saubermänner und Steuersenker. Der FDP fällt es nun sogar relativ leicht, sich als eine Art Anti-Robin-Hood-Partei gegen SPD und Grüne zu positionieren. Hieß das liberale Mantra vor vier Jahren noch, Steuersenkungen nur mit uns!, heißt es nun: Nur mit uns werden die Belastungen nicht erhöht! Rot-Grün ist der Beelzebub, der nur von Blau-Gelb vom Haus ferngehalten werden kann. Die Liberalen setzen offenbar auch auf enttäuschte Grünen-Anhänger, denen die Umverteilungs- und Abkassierer-Pläne der Roth und Trittin zu tief ins eigene Portemonnaie greifen könnten. Die Freidemokraten gaukeln dabei vor, Opposition und Regierung zugleich zu sein. Sie haben sich mit ihrem Wahlprogramm zwar eindeutig und fest an die Union gekettet, doch wenigstens verbal wird auch gegen die Spezl-CSU und die "schwarzlackierten Sozialisten" der CDU der Stachel gezückt. Die politische und strategische Verengung, die man Westerwelle vor vier Jahren vorwarf - und die der Partei fast 15 Prozent bescherte -, ist nun durch eine neue Vereinseitigung ersetzt worden. Die FDP bleibt das rechtsstaatsliebende Anhängsel der Union. Zu wirklicher Eigenständigkeit fehlt ihr offenbar der Mumm. Das Reizthema Mindestlohn geht die FDP in Nürnberg ebenso verquast an wie die Union. Weil es keinen - rot-grün-roten - flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn geben darf, werden Lohnuntergrenzen für Branchen und Regionen verlangt. Wie das konkret funktionieren soll, ist zwar völlig offen, aber zumindest schmettern die Liberalen mit diesem Schwenk den Vorwurf sozialer Kälte ab. Mit viel Jubel und Selbstbeweihräucherung hat die FDP in Nürnberg ein Wahlprogramm beschlossen, das ihr das parlamentarische Überleben sichern soll. Wieder einmal.
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