Kandidat zweiter Wahl
Das CDU-Präsidium hat Armin Laschet aufs Schild gehoben. Das ist riskant, denn auch viele Christdemokraten halten Markus Söder für den aussichtsreicheren Kanzlerkandidaten.
Regensburg (ots)
Keine 24 Stunden, nachdem Markus Söder am Sonntag endlich offiziell seinen Hut in den Ring geworfen hatte, würgte das CDU-Präsidium die Ambitionen des CSU-Chefs und bayerischen Ministerpräsidenten auf die Kanzlerkandidatur ziemlich rüde ab. Die Furcht, den erst im Januar knapp zum CDU-Vorsitzenden gekürten Armin Laschet zu beschädigen und damit die Partei noch weiter zu schwächen, mag den Ausschlag gegeben haben für gestrige Vorentscheidung. Strategisch klug ist sie dennoch nicht. Denn auch viele Christdemokraten halten den durchsetzungsstarken Söder für den aussichtsreicheren Kandidaten. Der nun aufs Schild gehobene Laschet geht, ob er das will oder nicht, als Kanzlerkandidat zweiter Wahl ins Rennen.
Sollte sich das gestrige Stimmungsbild im Partei-Präsidium durchsetzen - eine förmliche Abstimmung gab es gar nicht - dann würde sich die CDU für ein Weiter so, für die Fortsetzung der Merkel-Politik, diesmal allerdings mit dem Gesicht Laschets, entscheiden. Damit wäre vielleicht nach außen hin Einigkeit demonstriert und der Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes nicht beschädigt, doch innerhalb der CDU dürfte es weiterhin rumoren. Einige Landesverbände, Bundestagsabgeordnete und selbst Partei-Gliederungen aus NRW hatten sich offen für Söder ausgesprochen. Ob sich die CDU, aber auch die CSU, nun im Wahlkampf geschlossen hinter Laschet stellen werden, ist keineswegs sicher.
Markus Söder immerhin hatte bereits in seiner Bewerbungsrede eingeräumt, dass er einem CDU-Vorschlag für die Kanzlerkandidatur seine Unterstützung geben werde. Der Franke könnte, wenn er sich im Wahlkampf mit ganzer Kraft für Laschet einsetzte, sogar als moralischer Sieger vom Platz gehen. Als ein Kanzlerkandidat vieler Herzen gewissermaßen. Sollte Laschet beim Rennen ums Kanzleramt versagen, wäre Söder erst recht der starke Mann in der Union. Manche befürchten gar, mit "Corona-Pannen-Armin" schlittere die Union bei der Wahl im September in die Opposition. Das freilich wäre für die Langzeitregierungs-Union der schlimmste anzunehmende politische Unfall.
Ein Schaden für die Demokratie wäre es allerdings nicht, wenn CDU und CSU nach 16 Jahren Merkel-Regierung das Kanzleramt verlassen müssten. Oder wenn Laschet nur die Vizekanzlerschaft unter einem grünen Regierungschef Robert Habeck oder einer grünen Kanzlerin Annalena Baerbock, die freilich noch nie ein Regierungsamt ausgeübt hat, bliebe. Für manche eine Horrorvorstellung, für andere eine verheißungsvolle Aussicht. Das grün-schwarz regierte Baden-Württemberg lässt grüßen.
Freilich muss sich auch Söder vorwerfen lassen, dass er seinen Anspruch auf die Kandidatur viel zu spät öffentlich gemacht hat. Nur wegen guter Umfragewerte und flotter Talkshow-Auftritte erhält man die höhere Weihe als Spitzenkandidat nicht so einfach. Es braucht auch Netzwerke in die Parteigliederungen hinein. Doch in dieser Hinsicht war und ist der CSU-Vorsitzende dem CDU-Chef gegenüber strukturell klar im Nachteil.
Zudem hat die - im Grunde noch gar nicht entschiedene - Hängepartie um die K-Frage der Union den schlechten Eindruck entstehen lassen, hier ginge es nur um Macht, um politische Karrieren, vielleicht auch um Eitelkeiten. Sowohl Söder, aber erst recht Laschet, haben nicht erklärt, wie sie das Land aus der Pandemie führen wollen. Ein griffiges Konzept, wie es nach Corona weitergehen soll, fehlt bei beiden. Dabei wäre es vor der Wahl so eminent wichtig, zu wissen, von wem und wie die Milliarden-Schulden infolge der Pandemie abgetragen werden sollen, wie Klimaschutz und Wirtschaft, wie die Bildung vorangebracht, wie der Arbeitsmarkt stabilisiert und notleidenden Firmen geholfen werden kann.
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