Geld gegen Zeit
Kommentar von Andreas Härtel zum Flüchtlingsgipfel
Mainz (ots)
Ein halbes Jahr Zeit kostet eine Milliarde Euro. Kürzer und präziser lässt sich das Ergebnis des Flüchtlingsgipfels in Berlin wohl nicht zusammenfassen. Die Länder und Kommunen auf der einen Seite bekommen ihren dringendsten Wunsch erfüllt; die zugesicherte Summe wird ihnen helfen, fürs Erste die größten Probleme bei der Unterbringung der Hilfesuchenden zu lindern. Der Bund auf der anderen Seite erkauft sich dadurch, dass Kanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner über ihren Schatten gesprungen sind, Ruhe an dieser Front. So gesehen handeln die Beteiligten, das muss man ihnen zugestehen, zuallererst pragmatisch. Geld ist nun mal das, was vor Ort auf die Schnelle am besten hilft. Alle weitergehenden Lösungen dagegen kosten Zeit. So liegen zwar die Vorschläge für eine Prüfung von Asylgesuchen an den EU-Außengrenzen auf dem Tisch. Aber wenn es tatsächlich einmal eine Einigung auf europäischer Ebene geben sollte, dann gewiss nicht schon morgen oder übermorgen. Und das verträgt sich nicht mit dem Problemdruck, den es auch in politischer Hinsicht gab. Schließlich hatte sich der Streit im Land in den vergangenen Wochen und Monaten schon derart zugespitzt, dass Schlimmes zu befürchten war. Denn wenn sich die Demokraten bei dem Thema nicht einig werden, ist klar, wer davon profitiert: die radikale Rechte. Womöglich war es deshalb auch der Wunsch aller Beteiligten, das Thema aus dem Wahlkampf für die Landtagswahlen in Hessen und Bayern im Oktober herauszuhalten. Ob diese Strategie aufgeht, ist indes fraglich. Denn die Konflikte werden sich schon bald wieder hochschaukeln. Und nichts deutet nach dem Gipfel darauf hin, dass man sich zwischen Bund, Ländern und Kommunen grundsätzlich nähergekommen ist.
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