BDI Bundesverband der Deutschen Industrie
BDI-Präsident Rogowski zur Regierungserklärung des Kanzlers: Gordischer Knoten nur gelockert, aber nicht durchgeschlagen
Berlin (ots)
"Endlich hat die Bundesregierung erkannt, wie dringlich unser Land Reformen braucht", kommentierte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Michael Rogowski, die heutige Grundsatzrede des Bundeskanzlers. Die lähmende wirtschaftliche Lage und die tiefe Vertrauenskrise, worin Deutschland schon seit geraumer Zeit verharre, machten es notwendig, schonungslos den Blick auf die Fakten zu richten und die notwendigen politischen Schlussfolgerungen zu ziehen. Dies habe der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung versucht, in wichtigen Bereichen mit einigem Erfolg.
"Wichtig ist es nun aber, den Worten umgehend Taten folgen zu lassen. Wir brauchen konkrete Ziele, konkrete Maßnahmen und konkrete Zeitvorgaben. Die Schlagzahl muss erhöht werden. Der BDI unterstützt die vom Bundeskanzler vorgelegte Agenda 2010' ausdrücklich in ihrer Stoßrichtung, Deutschland bis zum Ende der Dekade wieder an die europäische Spitze zu führen bei Arbeit und Wohlstand", betonte Rogowski. "Doch was konkret dazu vorgelegt wurde, gleicht mehr einer Kurskorrektur als der Einleitung einer wirklichen Wende." Wie der Bundeskanzler sei auch der BDI der Auffassung, dass ein grundlegender Umbau des Sozialstaates unabdingbar sei, um seine Substanz und Leistungsfähigkeit zu erhalten. "Nur auf der Grundlage einer dynamischen Wirtschaft hat der Sozialstaat eine Zukunft, was bedeutet, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in den Fokus der Wirtschaftspolitik rücken muss. Nur mit umfassenden und noch weitergehenden Reformen in den Bereichen Steuern, Arbeitsmarkt, Sozialsystem sowie Forschung und Bildung lassen sich die Ziele der Agenda erreichen."
Von dem angekündigten 15-Mrd.- Konjunktur-Programm dürften keine Wunderwirkungen erwartet werden. Zu begrüßen sei dabei, dass von einem Schulden finanzierten Konjunkturprogramm abgesehen wird. Das erneute Bekenntnis des Bundeskanzlers zum verantwortungsvollen Umgang mit dem europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt begrüßte Rogowski ebenfalls, denn der Stabilitätspakt sei unverzichtbar.
Der BDI bekenne sich ausdrücklich zur Erhaltung der Finanzkraft der Kommunen. Eben auch deshalb habe die Industrie einen eigenen Vorschlag zur Gemeindefinanzreform vorgelegt. Mit der Ankündigung des Kanzlers, die Gewerbesteuer zwar zu erneuern, aber doch wohl an ihr festhalten zu wollen, werde der falsche Weg beschritten. Außerdem brüskiere eine solche Vorfestlegung die Arbeit der Reformkommission in unzulässiger Weise und werde weder den Belangen der Kommunen noch der Unternehmen gerecht. Die Bestätigung des Kanzlers, die für 2004 und 2005 vorgesehenen Steuerentlastungen ohne Abstriche umzusetzen, begrüßte Rogowski. Zu einer "Agenda 2010" gehörten aber notwendigerweise weitere Steuerentlastungsperspektiven, denn Deutschland bleibe auch nach 2005 in der Unternehmensbesteuerung im europäischen Vergleich ein Hochsteuerland. Positiv sei die faktische Absage an die Vermögensteuer. Widersprüchlich hingegen sei es, am Steuervergünstigungsabbaugesetz festzuhalten, das Bürger und Unternehmen mit milliardenschweren Steuererhöhungen überziehe.
Erfreulich ist nach dem Urteil des industriellen Spitzenverbandes, dass die Bundesregierung endlich erkannt habe, auch nach Umsetzung der Hartz-Vorschläge weitere grundlegende Reformen am Arbeitsmarkt anpacken zu müssen. Die Pläne zur Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe "auf einer Höhe, die in der Regel dem Niveau der Sozialhilfe entspricht", zur Modernisierung des Kündigungsschutzes entsprechend den von Wirtschaftsminister Clement entwickelten Vorschlägen sowie zur Flexibilisierung des Arbeits- und Sozialrechts gingen im Großen und Ganzen in die richtige Richtung. Beim Arbeitsrecht setze die Bundesregierung aber nach wie vor zu stark auf Flexibilisierungen innerhalb des bestehenden Tarifvertragssystems. Betriebliche Bündnisse für Arbeit müssten nach Auffassung des BDI aber durch direkte Verhandlungen der Betriebsparteien möglich sein, und zwar ohne Vetorecht der Tarifvertragsparteien. Als enttäuschend wertete der BDI-Präsident auch die fehlende Bereitschaft des Bundeskanzlers, das ausgeuferte Mitbestimmungsrecht anzutasten. Dieses sei im internationalen Vergleich ein gravierender Wettbewerbsnachteil für deutsche Unternehmen und zudem ein Investitionshemmnis in Deutschland. Die Androhung einer Ausbildungsabgabe für Betriebe, die nicht ausbilden führe nicht wirklich weiter. "Es bedarf der wirtschaftlichen Belebung und einer deutlichen Reduzierung der Ausbildungskosten, um zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen", so Rogowski.
Im Sozialbereich habe die Regierung die Reformnotwendigkeiten im Grundsatz erkannt, so Rogowski. Die Dramatik der Schieflage der umlagefinanzierten Sozialsysteme wurde in der Regierungserklärung aber nach wie vor nicht ausreichend deutlich. Die Reformvorstellungen der Bundesregierung für den notwendigen Umbau des Sozialstaates blieben schemenhaft. So vermisse der BDI z.B. eine Perspektive, wie die Rentenreform fortgeführt werden solle oder in welcher Form der Leistungskatalog der Krankenversicherung angepasst werden müsse. Positiv sei jedoch die Absicht zu werten, den Bezug von Arbeitslosengeld der Dauer nach zu begrenzen, das Krankengeld in eine Privatversicherung zu überführen und das Mutterschaftsgeld zukünftig aus dem Steueraufkommen zu finanzieren.
Der BDI-Präsident bedauerte, dass der Kanzler mit Blick auf verstärkte Investitionen in Bildung und Forschung nur ankündigte, die diesjährigen Kürzungen in den Etats der Forschungseinrichtungen in den nächsten Jahren wieder rückgängig zu machen. Damit könne er das selbst gesteckte Ziel von Barcelona, 3 Prozent vom BIP für Forschung und Entwicklung einzusetzen, nicht erreichen. Der Verweis auf die Vorschulerziehung, die Sprachförderung und die Ganztagsschulen decke bei weitem nicht den Reformbedarf im Bildungssystem.
Insgesamt, so der BDI-Präsident, sei dies eine durchaus zielführende und wegweisende Regierungserklärung des Bundeskanzlers. Der große Wurf, den sich viele erhofft hatten, sei aber nicht zu erkennen. "Der Kanzler hat den gordischen Knoten aus zu schwachem Wirtschaftswachstum, zu hoher Verschuldung, steigender Arbeitslosigkeit und explodierenden Lohnzusatzkosten für die strangulierten Unternehmen zwar gelockert - aber nicht durchschlagen." Anderseits zollte Rogowski dem Kanzler persönlich Respekt für seinen politischen Mut: "Denn schon mit diesem noch keineswegs ausreichenden Reformen wird der Kanzler in der eigenen Fraktion viele Gegner finden. Die Debatte um das Ladenschlussgesetz gab einen Vorgeschmack darauf." Es kommt jetzt darauf an, das Angekündigte bis zum Sommer umzusetzen. "Dabei werden wir den Bundeskanzler unterstützen," so Rogowski.
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