Westfalen-Blatt: das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Start ins Wahljahr 2013
Bielefeld (ots)
Manche Sätze lassen einen nicht mehr los. Stets aufs Neue bekommt man sie vorgehalten. Nein, hier ist jetzt nicht wieder die Rede von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, seinem Verhältnis zum Geld und einem bemerkenswerten Versuch der Selbstzerstörung - obwohl es dazu gewiss noch einiges zu sagen gäbe. Doch immer hübsch der Reihe nach: Und los geht dieses Superwahljahr ja nicht mit der Bundestagswahl, sondern mit der in Niedersachsen. In gut zwei Wochen, am 20. Januar, wird dort ein neuer Landtag gewählt. Und da kommt einem unwillkürlich ein Satz in den Sinn. Er lautet: »Mit 45 ist für mich Schluss in der Politik.« Und stammt von? Richtig, Philipp Rösler war es, der sich so vernehmen ließ. Das freilich ist länger her, und was einst Stärke zum Ausdruck brachte, entpuppt sich heute bloß noch als blanke Ironie. So könnte es sein, dass der FDP-Vorsitzende in den nächsten 18 Tagen gleich um satte fünf Jahre altert. Verpassen die Liberalen ausgerechnet in Röslers Heimat den Sprung in den Landtag, ist es um seine politische Karriere geschehen - und das mit nicht einmal 40! Röslers Rücktritt vom Amt des Parteichefs wäre unvermeidbar. Auch als Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister agierte er allenfalls auf Abruf. Drei Jahre nach dem Triumph bei der Bundestagswahl hätte der Absturz der FDP unter seiner Führung einen neuen, kaum mehr für möglich gehaltenen Tiefpunkt erreicht. Dabei gibt es genug liberale Ideen, für die es zu streiten lohnte - erst recht in Zeiten, in denen die Staatsgläubigkeit in Deutschland eine neue Hochkonjunktur erlebt. Doch Rösler schweigt zu den großen Fragen und schachert um Kleinigkeiten. Und wenn er grundsätzlich zu werden versucht, findet er nicht den richtigen Ton. Rösler ist seiner Partei als Vorsitzender stets mehr Ballast als Hilfe gewesen. So kämpft er verzweifelt für sich, doch wer kämpft noch aufrichtig an seiner Seite? Nach Rösler müssten wohl Rainer Brüderle, Vorsitzender der Bundestagsfraktion, oder der NRW-Landesvorsitzende Christian Lindner oder beide zusammen ran, um zu retten, was noch zu retten wäre für die FDP - und für Schwarz-Gelb. Denn mit einem Scheitern der FDP in Niedersachsen wäre nicht nur der Landesregierung unter CDU-Ministerpräsident David McAllister die Geschäftsgrundlage entzogen. Hannover bildete mit Blick auf Berlin auch das Menetekel, das die CDU zu Recht so fürchtet. Und Rot-Grün hätte Steinbrücks Pannen zum Trotz endlich den Anfang einer Story, den es gegen eine scheinbar übermächtige Kanzlerin Angela Merkel so dringend braucht. Neulich hat Philipp Rösler wieder einen bemerkenswerten Satz gesagt. Demnach könne, wer nie am Abgrund gestanden habe, kein Großer werden. Daraus lässt sich immerhin eines folgern: Der Mann ist noch zu einer realistischen Einschätzung seiner Lage fähig. Weitere Schlüsse verbieten sich jedoch: Den Gedanken nämlich hat Rösler nicht etwa selbst entwickelt - er hat bloß Joschka Fischer zitiert.
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